Der Medizinalkonzern Medtronic zahlt jungen Herzchirurgen 20 000 Franken, wenn sie den Nachwuchspreis des Schweizer Herzchirurgenverbands gewinnen. Das ist für den Hersteller von Herzschrittmachern eine Kleinigkeit: Medtronic erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 27 Milliarden Franken.
Auch der US-Herzklappen-Hersteller Edwards ist ein Geldgeber der Herzchirurgen. Er zahlt jedes Jahr
10 000 Franken und darf deshalb den Titel «Goldsponsor» des Herzchirurgenverbands führen – so wird er auf der Internetseite des Verbands auch aufgeführt.
Edwards und Medtronic sponsern zudem regelmässig die gemeinsame Jahrestagung des Herzchirurgen- und des Kardiologenverbands – zuletzt 2019 mit je rund 30 000 Franken. Total flossen 2019 von Medizintechnik- und Pharmafirmen mindestens 720 000 Franken in die Kongresskasse. Das zeigen saldo-Berechnungen auf Grundlage der Angaben der Arztverbände zu Sponsoren der Jahrestagung. Als Veranstaltungsort wählten die Ärzte 2019 das Kongresszentrum in Interlaken. Ihr Motto: «Natur trifft Luxus».
Als saldo den Herzchirurgenverband mit der Recherche konfrontiert, ändert dieser die Sponsorenliste auf seiner Website. Die Namen von zwölf Silber-, Bronze- und Goldsponsoren stehen plötzlich nicht mehr dort. Übrig bleibt neben Medtronic und Edwards nur noch der Implantate-Hersteller Jotec. Der Verband habe die Liste «aktualisiert», sagt Verbandspräsident Peter Matt. Welche Summen von den Sponsoren zum Verband flossen, will er nicht verraten.
Unabhängigkeit der Ärzte ist in Frage gestellt
Die Zahlungen der Pharmafirmen sind heikel. Denn die führenden Köpfe des Herzchirurgenverbands reden in Spitälern bei der Auswahl von Medizinalgeräten und Implantaten ein gewichtiges Wort mit. Verbandspräsident Peter Matt ist zum Beispiel stellvertretender Klinikdirektor der Herzchirurgie am Unispital Zürich.
Wie unabhängig sind Ärzte im medizinischen Alltag, die ihre Kongresse von Geräteherstellern mitfinanzieren lassen? «Unsere Verbandsmitglieder stehen nicht in direktem Kontakt mit der Industrie, welche die Verbandszwecke unterstützt», sagt Matt. Die Sponsoringgelder würden vollumfänglich für Verbandsaktivitäten eingesetzt, etwa für Trainings angehender Herzchirurgen. Für die Verträge mit den Kongresssponsoren sei die Event-Management-Firma Congrex Switzerland zuständig.
Doch ein Blick in die Jahresberichte zeigt: Zumindest ein Teil der Firmen zahlt Sponsoringbeträge direkt an den Verband. So deklariert etwa der Pharmakonzern Pfizer in seinem Transparenzbericht 2019 eine «Sponsoring-Zahlung» von 26 000 Franken an mit dem Event-Management beauftragtes Gesundheitspersonal. Die Zahlung ging an den Verband der Herzchirurgen beziehungsweise an die Adresse der Arztpraxis des damaligen Verbandssekretärs.
In der Einladung zum Kardiologenkongress «Cardiology Update» 2019 in Davos GR erklären Chefärzte führender Universitätsspitäler, was den Kongress für Firmen attraktiv macht: «Direkter Kontakt mit den Leistungsnutzern und Meinungsbildnern» und «Kontaktschaffung als Türöffner im Anschluss an den Kongress». Für ergänzende Informationen stünden die Verbandsvertreter «jederzeit telefonisch oder für ein persönliches Gespräch zur Verfügung». Unterzeichnet war die Einladung von fünf Ärzten und Professoren, darunter die Direktoren der Kardiologie der Unispitäler Bern und Genf.
Die Sponsoren lassen sich den direkten Kontakt zu den Ärzten etwas kosten: Beim Kongress in Davos zahlten Medizintechnik- und Pharmafirmen bis zu 50 000 Franken für einen Stand. Besonders spendable Konzerne konnten zwei ihrer Mitarbeiter an ein Dinner mit den Referenten schicken. Laut Marjam Rüdiger-Stürchler, Geschäftsführerin des Kardiologenverbands, ist beim Kongresssponsoring vertraglich geregelt, dass die Sponsoren keinen Einfluss auf das wissenschaftliche Programm haben und keine Gegenleistung wie etwa den Einsatz ihrer Produkte fordern dürfen.
Mängel bei Herzgeräten von Sponsoren
Bei den Produkten von mehreren Sponsoren gelangen immer wieder gravierende Mängel ans Licht. Das zeigen Warnmeldungen zu Produktefehlern, die in den vergangenen zehn Jahren bei der Zulassungsbehörde Swissmedic eingingen:
17 Warnmeldungen liegen zum künstlichen Herz «Heart Ware» von Medtronic vor – hauptsächlich wegen Stromproblemen und defekter Batterien. Das sind mehr Meldungen als bei den künstlichen Herzen anderer Hersteller. Medtronic berichtet von mehreren Todesfällen weltweit. Gegenüber saldo wollte die Firma nicht Stellung nehmen zu den vielen Fehlermeldungen.
Philips, einer der wichtigsten Sponsoren von Schweizer Ärztekongressen, verschickte seit 2010 rund 30 Warnungen zu seinem Defibrillator «HeartStart». Dieser fällt wegen Produktefehlern immer wieder aus.
Zu schwerwiegenden Zwischenfällen kam es zwischen 2008 und 2014 an den Unispitälern Zürich und Basel: Eine Herz-Lungen-Maschine des US-Herstellers LivaNova verursachte bei zwölf Herzpatienten schwere Infektionen. Das Gerät war nicht steril, sodass während der Operation Keime über die Luft ins Herz der Patienten gelangen konnten. Sechs Menschen starben. Ein Patient berichtet saldo, dass er seit seiner Operation vor sechs Jahren täglich mehrere Antibiotika schlucken müsse. «Wie lange ich noch lebe, weiss niemand.»
Nach diesen Vorfällen erliessen Swissmedic und das Bundesamt für Gesundheit strengere Hygienevorschriften für Herz-Lungen-Maschinen. Problematisch sind vor allem die Wassertanks der Geräte. Aus diesen können Keime über die Luft in den Operationsbereich gelangen. Von den Wassertanks der LivaNova-Geräte geht laut einer 2018 veröffentlichten Studie mit Proben des Unispitals Basel ein höheres Infektionsrisiko aus als von vergleichbaren Geräten anderer Hersteller. Das Unispital Basel setzt sie gemäss eigenen Aussagen nicht mehr ein – wohl aber andere Geräte des Herstellers.
Unispital Basel lässt sich noch immer von LivaNova sponsern
LivaNova war bis vor kurzem auf der Website des Herzchirurgenverbands als «Goldsponsor» aufgeführt. Zudem zahlte das Unternehmen 2019 rund 10 000 Franken an das Unispital Basel – und unterstützte damit eine Reise mehrerer Ärzte zu einem Herzchirurgie-Workshop in Vietnam. Friedrich Eckstein, Chefarzt Herzchirurgie am Unispital Basel, ist Kongressorganisator und Vorstandsmitglied des Herzchirurgenverbands. Auf die Frage nach seiner Unabhängigkeit gegenüber LivaNova will sich Eckstein nicht äussern. Ein Sprecher des Unispitals schreibt, bei der von LivaNova gesponserten Reise habe es sich um eine «humanitäre Mission» gehandelt.
Auch Pharmakonzerne sponsern Herzkongresse
Im Kongressgeschäft mischen neben Geräteherstellern auch Pharmafirmen mit. So erhielt etwa die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie 2019 vom US-Biotechnologiekonzern Amgen Sponsorgelder in der Höhe von 50 000 Franken für «Bildungsevents», wie ein Bericht des Unternehmens zeigt. Sechs weitere Pharmakonzerne spendierten im selben Jahr 190 000 Franken an Herzkongresse in der Schweiz.