Die Stimmung vor dem Saal 102 des Bezirksgerichts Winterthur ist eisig. Nur die zwei jungen Anwälte der Parteien begrüssen sich, der Kläger und der Beklagte verschränken die Arme. Der ehemalige Angestellte einer Heizungstechnikfirma ist mit seinem Arbeitszeugnis nicht einverstanden. Knapp ein Jahr war er als Verkaufsberater im Aussendienst für den Betrieb tätig. Nun steht er dem Geschäftsführer und ehemaligen Patron gegenüber.
Der Einzelrichter des Arbeitsgerichts begrüsst die Parteien und erteilt dem Anwalt des Klägers das Wort. Dieser verlangt, dass der ehemalige Arbeitgeber das Arbeitszeugnis seines Mandanten abändert. Dieser habe sehr gute Arbeitsleistungen erbracht. «Er war einsatzfreudig und leistete bei Bedarf Mehrarbeit», sagt der Anwalt. Er habe zahlreiche Kunden gewonnen und bestehende erhalten. Das Arbeitszeugnis enthalte aber keine brauchbaren Informationen zur Leistung, es sei unklar und auch nicht wohlwollend. Er zitiert daraus: «Er ist mit Unterstützung seiner Vorgesetzten neuen Situationen gewachsen und in der Lage, komplizierte Zusammenhänge nachzuvollziehen. Er zeigte Einsatzbereitschaft und hat an allen ihm gestellten Aufgaben mit grossem Fleiss, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit gearbeitet.»
Für den Anwalt klingt das, als habe sein Mandant seine Aufgaben nur mit Unterstützung der Vorgesetzten bewältigen können. Und dass er sich zwar bei der Arbeit Mühe gegeben habe, aber nicht zu gebrauchen war. «Mit vordergründig positiven Formulierungen wird eine negative Beurteilung abgegeben», sagt der Anwalt. Zudem müsse im Zeugnis erwähnt werden, dass dem Angestellten aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt wurde. Und der Arbeitgeber solle ihm im Zeugnis ausdrücklich für die Zukunft alles Gute wünschen.
«Die Leistungen waren mangelhaft»
Der Anwalt der Heizungsfirma verlangt die Abweisung der Klage. Grund: «Die Leistungen waren mangelhaft.» Der Ex-Angestellte habe die Kunden nicht genügend betreut und wichtige Projekte verloren. Er habe die Mehrarbeit anderen überlassen, er sei gegenüber den Kundendienst-Mitarbeiterinnen arrogant und respektlos gewesen – und auch nicht kritikfähig.
Fazit des Anwalts: «Der Kläger war überfordert.» Es sei ihm aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden, weil er nicht wirtschaftlich gearbeitet habe. «Das Arbeitszeugnis ist schon jetzt zu gut.» Es sei vollständig und wohlwollend. Der Arbeitgeber sei nicht bereit, das Zeugnis abzuändern, weil es wahr sein müsse. Und das sei sonst nicht der Fall.
Der Richter gibt eine erste Einschätzung der Rechtslage ab: Das Zeugnis brauche Korrekturen. «Das kann man nicht so belassen», sagt er. Er wolle aber ein aufwendiges Beweisverfahren vermeiden.
Beide Parteien sind vergleichsbereit. Am Ende einigen sie sich auf ein neues Zeugnis. Die umstrittenen Formulierungen sind verschwunden und dem Kläger werden «gute Leistungen» attestiert. Es wird nun erwähnt, dass ihm aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt wurde. Und der Arbeitgeber wünscht ihm für die Zukunft alles Gute. Beide Parteien verzichten auf eine Prozessentschädigung und übernehmen ihre Anwaltskosten selbst.Beatrice Walder
Arbeitszeugnis: Anspruch lässt sich einklagen
Arbeitgeber sind laut Gesetz verpflichtet, Angestellten jederzeit ein Arbeitszeugnis auszustellen, das sich über ihre Leistung und ihr Verhalten am Arbeitsplatz äussert. Die Aussagen müssen wahr, aber grundsätzlich auch wohlwollend sein. Der Text muss die wichtigsten Aufgaben aufzählen, die übertragenen Verantwortungen und allfällige Beförderungen erwähnen.
Wer mit dem Zeugnis nicht einverstanden ist, weil es unvollständig, wahrheitswidrig oder unfair ist, kann dies beim Gericht einklagen. Erste Anlaufstelle ist die Schlichtungsbehörde. Der Prozess ist in der Regel kostenlos. Am besten reicht man mit der Klage bestimmte ausformulierte Änderungen des Zeugnisses ein. Fast alle Prozesse um Arbeitszeugnisse werden unter Vermittlung des Gerichts durch einen Vergleich erledigt.