Vor dem Kreisgericht See-Gaster in Uznach SG erscheinen zwei gestandene Männer im Alter von rund 50 Jahren, beide ohne Anwalt. Es geht um eine Geldforderung und eine Betreibung. Der Einzelrichter stellt zu Beginn der Verhandlung fest: «Wir haben keine Ahnung, um was es geht.» Er fragt daher zuerst die Parteien nach dem Sachverhalt. Es geht um den Lohn für einen Kurierauftrag. Der Kurier erhielt für seine im Auftrag erledigten Fahrten kein Geld.
Daraufhin schickte er seinem Auftraggeber eine Betreibung über 3419 Franken. Dieser erhob innert zehn Tagen keinen Rechtsvorschlag, stoppte also die Betreibung nicht. Der Kurier könnte deshalb nun die Pfändung verlangen. Um das zu verhindern, klagt der Auftraggeber und Betriebene jetzt vor Gericht: Er tritt als Kläger auf und verlangt die Feststellung, dass keine Forderung besteht. Der Kläger erklärt: «Ich weiss nicht, was der Beklagte will.» Er kenne ihn von früher.
Er habe dann plötzlich nach Jahren ohne jede Vorwarnung eine Betreibung erhalten. Er sei dem Mann aber nichts schuldig, betont er gegenüber dem Richter. «Wir haben auch keinen Vertrag.» Der Kurier ist im Prozess der Beklagte – und fordert weiterhin das Geld. Der Kläger habe ihn im Oktober 2021 angerufen und gesagt, er habe eine Kurierfahrt für ihn nach Dessau in Deutschland. Diese habe dann für ihn im Gefängnis geendet. «Der Zoll in Konstanz hielt mich an», erzählt er. Beamte hätten die transportierten Säcke geöffnet und darin 53 Kilo Marihuana gefunden.
Mehr als zwei Jahre Gefängnis wegen der Kurierfahrt
Er sei davon ausgegangen, dass es sich um CBD-Hanf handelte. Dieses ist in der Schweiz legal, wenn es nicht mehr als ein Prozent der psychoaktiven Substanz THC enthält. In Deutschland war der erlaubte Anteil erheblich tiefer. Die Ware verstiess gegen das deutsche Gesetz. «Ich war deshalb zwei Jahre in Haft», erzählt er. Der Kläger habe ihm das vereinbarte Honorar von 1000 Franken nicht bezahlt. Zudem habe er noch von früheren Fahrten Geld zugut. Einen Teil habe er zwar erhalten.
Doch von Fahrten nach Italien und Spanien seien noch 2419 Franken offen. Der Richter weist den Kurier darauf hin, dass er seine Forderung beweisen muss. Zum Beispiel mit einem Vertrag oder Zeugen. Der Beklagte händigt dem Gericht das Strafurteil aus Deutschland aus und sagt: «Der Auftraggeber hat einen Volvo Kombi für diese Fahrten gekauft.» Zudem habe er einen Kollegen, der ihn vor den Fahrten gewarnt habe. Und von den Fahrten nach Spanien und Italien habe er Fotos.
Der Kläger wehrt sich: «Diese Vorwürfe sind eine Frechheit.» Er sei nichts schuldig. Er habe zwar mal einen Volvo gehabt und ihn dem Beklagten ausgeliehen. «Er sagte mir, er wolle das Auto für die Ferien.» Die beiden Männer wollen keine Vergleichsgespräche führen. Der Richter schickt ihnen das Urteil später per Post. Er stellt fest, dass der Kläger dem Kurier kein Geld zahlen muss.
Zudem hebt er die Betreibung auf. Der Kurier habe keinen schriftlichen Nachweis für einen Auftrag des Klägers, und es sei kein Zeuge dabei gewesen. Das Gericht lässt die Frage offen, ob der Vertrag wegen eines illegalen Inhalts überhaupt gültig gewesen wäre.
Mit einer Unterschrift kommt man schneller zum Geld
Ein Gläubiger braucht für eine Betreibung keinen Beweis. Der betriebene Schuldner kann jedoch innerhalb von zehn Tagen beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag erheben. In diesem Fall kann der Gläubiger seine angebliche Forderung beim Gericht einklagen.
Hat er einen schriftlichen Vertrag und somit eine Schuldanerkennung des Schuldners, läuft der Prozess im Schnellverfahren ab. Fehlt hingegen ein Vertrag mit einer Unterschrift des Schuldners, muss der Gläubiger einen normalen Gerichtsprozess einleiten. Dabei trägt er die Beweislast. Das bedeutet: Kann er seine Forderung nicht mit Dokumenten oder mit Zeugen belegen, wird seine Klage vom Gericht abgewiesen.