Der Bundesrat unterstützt einen Vorstoss aus dem Ständerat zur Erhöhung der Grenzwerte für das Handynetz. Treibende Kraft hinter der Forderung ist die Swisscom. Ihre Chefs wollen das neue Mobilfunknetz 5G noch im laufenden Jahr einführen. Mit der ultraschnellen Datenübertragung könne man angeblich Filme in wenigen Sekunden herunterladen.
Laut Swisscom sind die heutigen Antennen mit 3G und 4G fast ausgelastet. Deshalb will sie neue 5G-Sender an die alten Masten hängen. Dadurch steigt die Strahlung. In einem internen Papier fordert die Swisscom deshalb pro Anlage eine Erhöhung der Grenzwerte – und zwar gleich aufs Dreifache.
Peter Schlegel von der Bürgerinitiative Bürgerwelle kritisiert: «Damit würde die Schweiz zu den europäischen Ländern mit dem schlechtesten Strahlenschutz gehören.» Bisher hatte die Schweiz ähnliche Grenzwerte wie die Nachbarn.
WHO stuft die Strahlen als potenziell krebserregend ein
Ob Mobilfunkstrahlen krank machen, ist ungeklärt: Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft sie als potenziell krebserregend ein. Studien lieferten Hinweise, dass sie das Erbgut, die Hirndurchblutung, Hirnströme und die Spermienqualität beeinflussen können. Die Ärztegesellschaft FMH, die Patientenstellen und die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) lehnen höhere Grenzwerte für den Mobilfunk daher ab. Die FMH verweist auf zwei in den USA laufende Studien zum Krebsrisiko durch Mobilfunk. Sie fordert, der Bund müsse die Veröffentlichung dieser Resultate abwarten, bevor er die Grenzwerte erhöht. Laut Martin Forter von den Aefu «sind die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G noch kaum erforscht».
Für 5G braucht es keine neuen Grenzwerte
Für Harry Künzle, Leiter Umwelt und Energie der Stadt St. Gallen, und Ingenieur Manuel Murbach von der IT’IS Foundation an der ETH Zürich ist klar: Die Swisssom könnte 5G ohne Erhöhung der Grenzwerte einführen. Dafür brauche es aber ein erweitertes Netz aus vielen kleineren Antennen in kurzen Abständen. Nur so liessen sich laut Künzle die Möglichkeiten der Technik wirklich ausschöpfen. Ein solches kleinzelliges 5G-Netz strahle relativ wenig. Geltende Grenzwerte einzuhalten sei so kein Problem. Denn die Wege zwischen den Antennen und den Handys seien kurz.
Doch die Swisscom rüstet erst mal das alte Netz auf und fordert höhere Grenzwerte. Murbach kritisiert das als «kurzfristiges Profitdenken»: «In ein, zwei Jahren muss die Swisscom ohnehin das neue, kleinzellige Netz aufbauen.» Das alte Netz stosse dann bereits wieder an Kapazitätsgrenzen.
Auch Markus Lauener vom Dachverband Elektrosmog Schweiz wirft der Swisscom vor, bei der Einführung von 5G nur die billigste Lösung im Blick zu haben: «Die Gesundheit der Bevölkerung ist ihr egal.»
Die Swisscom weist diesen Vorwurf zurück. Sie behauptet, auch die erhöhten Grenzwerte würden die Menschen «gegen alle bekannten Gesundheitseffekte» durch Mobilfunkstrahlung schützen.