Oft stecken in Alltagsprodukten gefährliche Chemikalien – ob in Gummistiefeln, Kopfhörern oder Duschvorhängen. Das kann Gesundheit und Umwelt schädigen. Meist sind die Stoffe auf der Verpackung nicht deklariert.
Seit vier Jahren verlangt die Schweizer Chemikalienverordnung, dass Händler und Hersteller auf Anfrage von Kunden sagen, ob ein bestimmtes Produkt gefährliche Chemikalien in erhöhten Konzentrationen enthält. Sie müssen innert 45 Tagen kostenlos Auskunft geben. Wird diese Pflicht in der Praxis respektiert? saldo erkundigte sich im Namen einer Kundin bei 60 Händlern und Herstellern in der Schweiz nach «besonders besorgniserregenden Stoffen» in einem Produkt aus dem Sortiment. Beispiele: eine Luftmatratze bei Conforama, ein Rasenmäher aus der Landi, ein Toaster bei Konrad, eine Computermaus von Steg Electronics.
Ergebnis: 17 Unternehmen kommen der Auskunftspflicht korrekt nach. Die meisten verweisen auf Angaben ihrer Lieferanten. Einige legen Laborberichte bei. Mehr als zwei Drittel informieren ihre Kunden nicht oder nur ungenügend. Jeder vierte Betrieb gibt keine klare Auskunft.
Beispiele: Laut Coop enthalten Jamadu-Rundballone weder Weichmacher, Konservierungsstoffe noch Schwermetalle. Es gibt aber weitere, «besonders besorgniserregende» Chemikalien, die Coop nicht erwähnt. Denner verweist auf den Hersteller. Händler müssen aber selbst Auskunft geben. Microspot und die Post verweisen auf englischsprachige Links der Hersteller. Transa kann «keine hundertprozentige Versicherung geben, dass der Schlafsack frei von Chemikalien ist».
Nahezu ein Drittel der Unternehmen antwortete nicht
Zehn Unternehmen erklären, ihr Produkt entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Darunter Spar, Navyboot und Mercedes-Benz. Das heisst aber nichts. Alle laut Chemikalienverordnung besorgniserregenden Stoffe sind erlaubt.
Fast jedes dritte Unternehmen reagiert überhaupt nicht oder nicht innert der vorgeschriebenen Frist. Darunter sind H & M, Lidl, Media-Markt und Zara. Jumbo versprach eine Auskunft, die nicht eintraf. PKZ schrieb nach vier Monaten, die Kundin solle den Hauptsitz von Tommy Hilfiger in Amsterdam anrufen.
Coop, Fust oder H & M geben an, Lieferanten die Verwendung besorgniserregender Stoffe in erhöhter Konzentration zu verbieten. Es gebe «Stichproben». Coop räumt aber ein, es sei «nicht möglich», alle Produkte auf heikle Stoffe zu untersuchen. Auch die Migros prüft nicht jedes Produkt auf alle Stoffe: «Wir würden aber Massnahmen einleiten, wenn wir das Gefühl haben, ein Produkt könne aufgrund enthaltener Stoffe ein Risiko für Mensch oder Umwelt darstellen.»
Das Ergebnis der saldo-Recherche bestätigt eine Untersuchung von 2015. Der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner stellte damals fest: «Nur wenige Firmen setzen die Auskunftspflicht gut um.»
Bis zu 20 000 Franken Busse
«Besonders besorgniserregende» Stoffe können Krebs verursachen oder Erbgut, Fruchtbarkeit und Umwelt schädigen.
Händler und Hersteller müssen auf Anfrage innert 45 Tagen mitteilen, ob ein solcher Stoff zu mehr als 0,1 Prozent in einem Produkt oder dessen Bestandteilen enthalten ist.
Eine Mustervorlage für eine Anfrage bietet die Website der Kantonalen Fachstellen für Chemikalien (www.chemsuisse.ch -> Merkblätter, Merkblatt F04).
Wer keine Auskunft erhält, kann sich an die kantonale Kontrollstelle wenden. Sie kann die Firmen zu einer Antwort auffordern. Ohne Reaktion droht eine Busse bis 20 000 Franken.
Von der Auskunftspflicht ausgenommen sind unter anderem Reinigungsmittel, Kosmetika, Lebensmittel und Medikamente.
So reagierten die 60 Unternehmen
17 Unternehmen schrieben, das Produkt weise nicht mehr als 0,1 Prozent besonders besorgniserregender Stoffe auf:
Ackermann, Aldi, Athleticum, Brack, Coop Bau + Hobby, Digitec Galaxus, Ikea, Interdiscount, Jack Wolfskin, Mammut, Nespresso, Orell Füssli Thalia, Sport-Scheck, Toys’R’Us, Volg, Weltbild, Zalando
14 Unternehmen gaben keine klare Auskunft: Amag (VW), Bauhaus, BMW, Coop, Denner, Globus, Hornbach, Landi, Microspot, Migros, Schweizerische Post, Tchibo, Transa, Walbusch
10 Unternehmen schrieben nur, dass ihr Produkt gesetzlichen Vorgaben entspreche: Babywalz, C & A, Esprit, Lipo, Mercedes-Benz, Navyboot, Pfister, Qualipet, Samsonite, Spar
19 Unternehmen antworteten gar nicht oder nicht fristgerecht: Conforama, Conrad, Fressnapf, Fust, H & M, Heine, Jumbo,
Lidl, Manor, Media-Markt, Obi, Otto’s, PKZ, Schubiger Möbel, Steg Electronics, Tally Weijl, Toys, Vögele, Zara