Aus jedem zweiten Hahnen in der Schweiz fliesst Wasser, das mit der krebserregenden Chemikalie PFAS belastet ist. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von über 1500 Trinkwasserproben von saldo- und «K-Tipp»-Lesern (saldo 12/2023). PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Die Chemikalien stammen unter anderem aus Teflonpfannen, Lebensmittelverpackungen, Imprägniermitteln, Feuerlöschschäumen und Skiwachs.
Zwei neue Untersuchungen bestätigen die Ergebnisse von saldo und «K-Tipp»: Zum einen untersuchte der Verband der Kantonschemiker der Schweiz 564 Trinkwasserproben aus allen Kantonen auf 20 verschiedene PFAS. Diese Chemikalien fanden sich in 256 Proben – das sind 45 Prozent. Die Kantonschemiker verschweigen allerdings die genauen Orts- und Mengenangaben.
Bund spielt die Messergebnisse herunter
Die problematischen Stoffe sind nicht nur im Trinkwasser enthalten, sondern auch im Grundwasser. Das zeigen gut 22'000 Messdaten, die saldo Ende Oktober gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vom Bundesamt für Umwelt erhielt. Die Daten zeigen: PFAS wurden in jeder zweiten Grundwasserprobe gefunden.
Grund: Die Stoffe bauen sich in der Umwelt kaum ab und gelten als «Ewigkeitschemikalien». Fachleute von Bund und Kantonen hatten im Jahr 2021 an 519 Messstellen Proben entnommen und im Labor untersucht. Insgesamt wiesen sie 18 verschiedene PFAS-Arten nach. 80 Prozent des Schweizer Trinkwassers werden laut dem Bundesamt dem Grundwasser entnommen.
Das Bundesamt für Umwelt spielt in seiner Pressemitteilung vom 12. Oktober die Messresultate herunter. Nur eine Probe habe die «aktuell gültigen Höchstwerte» für PFAS im Grundwasser überschritten. Wo diese Probe entnommen wurde, sagte das Bundesamt nicht. Es erwähnte auch nicht, dass in der EU viel strengere PFAS-Höchstwerte gelten als in der Schweiz.
In Chiasso enthält das Wasser am meisten PFOS
Konkret: In der EU ist der Grenzwert bereits erreicht, wenn in einem Liter Trinkwasser 0,1 Mikrogramm von einem oder der Summe von 20 PFAS enthalten sind. In der Schweiz gelten höhere Grenzwerte: je 0,3 Mikrogramm für die beiden PFAS-Arten PFOS und PFHxS sowie 0,5 Mikrogramm für PFOA. Für die übrigen 17 PFAS-Stoffe, die in der EU berücksichtigt werden, hat die Schweiz keine Grenzwerte.
Die saldo-Auswertung der Daten ergibt: Der EU-Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter ist an acht Standorten überschritten. Die höchste Belastung des Grundwassers wurde in Chiasso TI festgestellt: Das Resultat von 1,044 Mikrogramm pro Liter überschritt auch den Schweizer Grenzwert – allein wegen des PFOS-Anteils von 0,438 Mikrogramm pro Liter (siehe Karte).
In der Deutschschweiz sind die PFAS-Belastungen in Stein AG und in der Nähe des Mettmenhaslisees in Niederhasli ZH besonders hoch. In Niederhasli wurden in den Analysen mehrere PFAS-Arten nachgewiesen.
In Stein mass das Labor bei zwei Messungen mehr als 0,1 Mikrogramm einer Chemikalie (PFOS) pro Liter Grundwasser. In der Westschweiz wurde der EU-Grenzwert etwa im Weiler Moulin-de-Veigy im Dorf Avusy GE und bei Yvorne VD überschritten – dort, wo der Fluss Grande Eau in die Rhone mündet. Das Labor fand auch in einigen Grossstädten erhöhte PFAS-Werte. Es wurden aber weder die Schweizer noch die EU-Grenzwerte überschritten. Der höchste Wert wurde mit 0,0171 Mikrogramm pro Liter in Basel gemessen. In Zürich fiel vor allem die Konzentration von PFOA von 0,0145 Mikrogramm pro Liter im Grundwasser auf.
Der Kanton Tessin teilt mit, die Verunreinigung des Grundwassers sei seit 2020 bekannt. Die PFAS würden durch Aktivkohlefilter beseitigt. Der Kanton Genf erklärt, die PFAS-Belastung stamme aus einer Deponie, das Wasser werde nicht als Trinkwasser verwendet. Und der Kanton Waadt schreibt: Der Grundwasserbrunnen, aus dem die Analysen stammen, wird nur «im Falle einer Unterbrechung oder bei Bedarf» verwendet.
So vermeiden Sie PFAS im Alltag
- Geschirr: Viele Pfannen und Backformen haben eine Antihaftbeschichtung aus PTFE, auch bekannt als Teflon. Solche Pfannen kann man durch Eisen- oder Keramikpfannen ersetzen.
- Kosmetika: PTFE finden sich laut Deklaration in der Zahnseide «Dentamed Super Glide» oder in der Tagescreme «L’Oréal Age Re-Perfect». PFAS sind in der Liste der Inhaltsstoffe als PTFE oder «Fluor» aufgeführt.
- Outdoor-Produkte: In Membranen und Imprägnierungen von Jacken, Hosen, Schuhen und Rucksäcken steckt oft PTFE. Der Stoff verbirgt sich auch hinter Bezeichnungen wie Windstopper und Goretex. Fluorfreie Alternativen finden sich unter Saldo.ch/pfas-frei. Der «K-Tipp» prüfte 2022 Regenjacken («K-Tipp» 14/2022). Erstmals erzielte eine Jacke ohne PFAS ein sehr gutes Ergebnis: «Seven J Jacket» von Helly Hansen.
- Textilien: Stoffpolster, Tischdecken, Spannteppiche und Gartenstuhlbezüge sind oft mit fluorierten Substanzen behandelt. Alternativen: Mit dem Label Oeko-Tex gekennzeichnete Textilien dürfen keine PFOA-Substanzen enthalten.
- Imprägniersprays mit PFAS meiden. Als Alternative taugen natürliche Fette oder Wachse.
Alle Einwohner der Schweiz haben PFAS im Blut
PFAS reichern sich auch im menschlichen Körper an. Das zeigt eine aktuelle Studie des Bundesamts für Gesundheit. Es liess das Blut von 789 Einwohnern der Kantone Bern und Waadt untersuchen. In allen Blutproben fanden sich mindestens drei verschiedene PFAS: PFOA, PFHsX und PFOS.
In 90 Prozent der Proben wurden zudem die beiden PFAS-Arten PFNA und PFDA nachgewiesen. Bei 28 Teilnehmern waren die PFOS-Gehalte so hoch, dass «Auswirkungen auf die Gesundheit möglich sind», so die Autoren.
Erhöhte PFOS-Konzentrationen im Blut können die Wirkung von Impfungen vermindern, die Neigung zu Infekten und die Cholesterinwerte erhöhen sowie bei Babys ein verringertes Geburtsgewicht zur Folge haben.