Der Spruch steht auf einem «Negerkässeli», das bis in die 1960er Jahre in einem Wirtshaus im Kanton Schwyz stand: «Willst du den Heiden Hilfe schicken, so lass mich Ärmsten freundlich nicken.» Bei besonders ausgeklügelten Kässeli legte man ein Geldstück in die Hand des «Negers» und drückte auf einen Hebel. Der «Neger» verdrehte die Augen und die Münze fiel in seinen hohlen Bauch.
Solche Kässeli sind begehrte Sammlerstücke. Sie stehen unter anderem bei Ricardo.ch zum Verkauf. In den Geschäftsbedingungen der Plattform steht aber: «Es ist verboten, Artikel mit nationalsozialistischem oder rassistischem Hintergrund einzustellen.» Beispiel: «Negerkässeli.» Ricardo gehört der Tamedia AG.
Das Verbot taugt nichts. Am 14. Februar 2016 verkaufte Verkäufer «twing69» ein Negerkässeli für 80 Franken. Ricardo kassierte davon Fr. 5.20 Abschlussgebühren und 40 Rappen Einstellgebühren. Am 30. April ging eine 20-jährige Nachbildung für 15 Franken über den Ladentisch. Verdienst für Ricardo: Fr. 1.15.
Ricardo: Geschäfte mit SA-Ehrendolchen
saldo erkundigte sich bei Ricardo nach der Geschäftspolitik. Reaktion: Ricardo beliess die Artikel auf der Plattform, strich dafür aber das «Negerkässeli» von der Verbotsliste. Resultat nach wiederholtem Nachhaken: Die «Negerkässeli» stehen zwar wieder auf der Verbotsliste – aber die entsprechenden Artikel nach wie vor zum Verkauf.
Fündig auf Ricardo werden auch Interessenten von Nazi-Andenken. Ein SA-Ehrendolch fand am 21.Januar 2016 für 300 Franken einen neuen Besitzer. Ricardo verdiente daran Fr. 20.20. Für ein Werbeschild der NSDAP zahlte ein Fan Mitte April 201 Franken. Einnahmen für Ricardo: 13 Franken.
Weitere Angebote der letzten Monate: Orden und Abzeichen für Frontkämpfer, Zubehör für ein Maschinengewehr aus dem Dritten Reich, Adolf-Hitler-Gedenkmünzen, Patronenhülsen der Waffen-SS, ein Mantel der Wehrmacht, ein Stahlhelm und zahllose Ansichtskarten von Adolf Hitler.
Ricardo-Sprecher Simon Marquard sagt, es sei unmöglich, alle auf der Plattform angebotenen Artikel zu überprüfen. Kunden könnten aber «verdächtige Angebote» melden. Zudem habe Ricardo einen «Filter», der nach bestimmten Stichworten suche. Fragt sich nur, was der Filter taugt: In den Inseraten wimmelt es von Ausdrücken wie «Nigger», «Neger», «NSDAP», «Hitler» und «Waffen-SS».
Anibis: Geschäfte mit Hakenkreuzen
Ricardo ist kein Einzelfall. Beispiel Verkaufsplattform Anibis. Zwar sind auch hier die Geschäftsbedingungen eindeutig formuliert: «Nationalsozialistische, rassistische und extremistische Artikel und Botschaften sind nicht erlaubt. Beispiele: Artikel mit Hakenkreuz.» Die Verkaufsplattform Anibis gehört zu 56 Prozent dem Medienunternehmen Ringier.
Dennoch: saldo fand diverse Nazi-Andenken – einen Orden der Hitlerjugend, Münzen und Abzeichen mit dem Hakenkreuz und Abzeichen der SS-Totenkopfverbände. Zu ihren Hauptaufgaben zählte die Bewachung in den Konzentrationslagern.
saldo wollte von Anibis wissen, weshalb sich das Unternehmen nicht an die eigenen Geschäftsbedingungen hält. Die seltsame Antwort der Mediensprecherin: Hakenkreuze, KZ-Abzeichen und «Mein Kampf» seien «Sammlerobjekte» und zumindest «teilweise» seien die entsprechenden Artikel auch so deklariert.
Auf der Verkaufsplattform Ebay Schweiz tauchen fast keine Nazi-Andenken auf. Ebay sperrt Verkäufer von Nazi-Artikeln. Das wirkt.