Ein übersehener Tumor, das falsche Medikament, eine schlecht implantierte Hüftprothese: Auch Ärzte machen Fehler. Doch Schadenersatz von der Ärzte-Haftpflichtversicherung erhalten geschädigte Patienten erst, wenn sie dem Arzt nachweisen können, dass er unsorgfältig gearbeitet hat. Der Haken dabei: Ein Gutachten zu einem Kunstfehler kostet meist zwischen 3500 und 15 000 Franken.
Eine günstige Alternative bietet die Schweizerische Ärztegesellschaft (FMH): Wer glaubt, Opfer eines Behandlungsfehlers zu sein, kann dort ein Gutachten in Auftrag geben – für 1080 Franken.
In 34 Prozent der untersuchten Fälle Fehler nachgewiesen
Die Erfolgsaussichten eines Patienten sind je nach Fachgebiet des Arztes sehr unterschiedlich. Das zeigt der neue Jahresbericht der FMH-Stelle. Sie wertete 3644 Gutachten aus, die sie seit 1982 in Auftrag gab.
Das Ergebnis: Insgesamt stellten die Expertisen in 34 Prozent einen Pfusch fest. Besonders hoch war die Fehlerquote für Patienten, die sich von einem Kinder- oder Frauenarzt falsch behandelt fühlten: 42 Prozent der Gutachten zur Arbeit von Kinderärzten bejahten einen ärztlichen Fehler. Bei gynäkologischen Gutachten waren es 38 Prozent. Demgegenüber gaben nur 15 Prozent der urologischen Gutachten den Patienten recht. Bei den Gutachten zur plastischen Chirurgie lag die Quote bei 22 Prozent (siehe Tabelle im PDF).
Erika Ziltener vom Dachverband Schweizerischer Patientenstellen bemängelt, die Antragsformulare für FMH-Gutachten seien zu kompliziert. Bettina Umhang, Fachanwältin für Haftpflichtrecht in Zürich, bestätigt: Kaum ein Patient könne die Anträge ohne Hilfe ausfüllen.
FMH-Gutachten lassen oft lange auf sich warten
Andere Kritiker monieren das fehlende Mitspracherecht der Patienten bei der Wahl des Gutachters. Den Entscheid darüber träfen allein die ärztlichen Fachgesellschaften. Die FMH entgegnet, Patienten könnten «begründete» Einwände gegen den vorgeschlagenen Experten vorbringen.
Ein weiterer Mangel: Patienten brauchen viel Geduld, denn FMH-Gutachten lassen lange auf sich warten. Der Ärzteverband spricht von «durchschnittlich 14 bis 18 Monaten». Selbst in Auftrag gegebene Gutachten erhält man meist innerhalb von sechs Monaten.
Tipp: Vor einem Antrag an die FMH mit Kostenfolgen die Erfolgsaussichten für ein Gutachten bei einem spezialisierten Anwalt oder der Stiftung SPO Patientenschutz oder einer Patientenstelle abklären lassen.
Schadenersatz nach Ärztepfusch: Das sind die Voraussetzungen
Wer Opfer eines Behandlungsfehlers wird und dadurch einen finanziellen Schaden erleidet, hat grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz. Beweispflichtig ist der Patient. Er muss nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, dass die ärztliche Unsorgfalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seinen Gesundheitsschaden verursacht hat und dass ihm daraus ein finanzieller Nachteil entstanden ist. Je nach Schwere des fehlerbedingten gesundheitlichen Nachteils schuldet die Haftpflichtversicherung des Arztes oder Spitals dem Patienten zusätzlich ein Schmerzensgeld.