Die neue Post in Maur ZH ist nur vier Quadratmeter gross und eingezwängt zwischen Fertigsalaten und Mineralwasser. Im April hat die Post ihre Filiale geschlossen und dafür eine Postagentur im Volg-Dorfladen eröffnet. Das ärgert viele Bewohner, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. Die Postkunden kritisieren vor allem den Leistungsabbau (siehe Kasten). Sie müssen neu für bestimmte Postgeschäfte die Poststelle in Ebmatingen ZH aufsuchen. Besonders für ältere, nicht mehr allzu mobile Leute ist das umständlich. Auch die mangelnde Diskretion im Dorfladen sowie die dürftige Ausbildung des Personals werden kritisiert.
Ramona Pally hat im Volg soeben einen eingeschriebenen Brief abgeholt und meint: «Ich finde diese Lösung schlecht. Zu einem Dorf der Grösse von Maur gehört doch eine eigene Poststelle.»
Postfach gekündigt, Briefe verschwunden, Extrakosten jeden Tag
Dorothea Hinderling hatte 31 Jahre lang ein Postfach. Nun wurde die Zahl der Postfächer gesenkt und ihr Fach kurzfristig gekündigt. Seit über drei Wochen erhält sie keine Post mehr. Sie reklamierte, doch die Post weiss nicht, wo ihre Briefe geblieben sind.
Auch die Gemeindeverwaltung bekommt den Leistungsabbau zu spüren: Um die ganze Post vor 9 Uhr direkt zugestellt zu erhalten, muss sie pro Tag 22 Franken extra zahlen.
Voraussichtlich Ende Juli verliert der wachsende Ortsteil Forch ebenfalls die Poststelle. Auch da ist eine Agentur im Volg geplant. Das bringt Ludwig A. Minelli, Anwalt und Generalsekretär der Sterbehilfeorganisation Dignitas, in Rage. Er muss künftig nach Zumikon ZH fahren, um Gerichtsurkunden abzuholen. Dabei läuft die Poststelle laut Post «relativ gut». Für Minelli ist die Schliessung unverständlich. «Die Führungsriege hat keine Ahnung, was an der Front läuft. Die sind nur auf Gewinnmaximierung getrimmt», schimpft er. Minelli hat die Konsequenzen gezogen und bis auf einen kleinen Rest alle Gelder vom Postkonto abgezogen.
Nicht nur Poststellen in kleinen, entlegenen Gemeinden werden geschlossen. Maur hat 9500 Einwohner und liegt in der Agglomeration Zürich. Anfang 2001 existierten in der Schweiz 3403 Poststellen. Am 30. April 2012 waren es noch 1823 – 46 Prozent weniger. Die meisten Poststellen wurden in Postagenturen oder Hausservices umgewandelt. Zurzeit gibt es 444 Agenturen in Dorfläden, Gemeindekanzleien oder Tourismusbüros.
1239 Orte nur noch mit Hausservice – und der Abbau geht weiter
Wo die Post keinen Partner für eine Agentur fand, wurde ein Hausservice eingerichtet. Beim Hausservice wird der Postschalter quasi an die Haustüre verlegt (siehe Kasten). Zurzeit wird der Hausservice an 1239 Orten praktiziert. Und der Abbau von Poststellen hält an. Bald werden Poststellen in Wölflinswil AG, Oetwil an der Limmat ZH, Niederbüren SG, Plaffeien FR und Wäldi TG durch Agenturen ersetzt. In Muolen SG will die Post den Hausservice einführen.
Als Hauptgrund nennt die Post in der Regel die rückläufige Nutzung. SMS, E-Mail und Internetbanking verdrängten Postdienstleistungen. Bei Schliessungen werden laut Post-Sprecher Mariano Masserini auch die rechtlichen Vorgaben zur Erreichbarkeit der Angebote der Post sowie Faktoren wie der bauliche Zustand der Liegenschaft oder die Situation des Personals berücksichtigt.
904 Millionen Franken Gewinn hat die Post 2011 verbucht. Das Eigenkapital stieg auf 4,9 Milliarden Franken. Dass der Service public trotz blendender Zahlen weiter abgebaut wird, stösst zunehmend auf Widerstand.
Empörung in Urnäsch, scharfe Worte der Thurgauer Regierung
In ihrer Vernehmlassungsantwort zur Verordnung des Postgesetzes rechnet die Thurgauer Regierung vor, dass die Post in den Jahren 2000 bis 2010 insgesamt 73 von 132 Poststellen im Kanton abgebaut habe. Häufig reduziere die Post zuerst die Öffnungszeiten, um die Poststelle dann mit Hinweis auf rückläufige Kundenfrequenzen ganz zu schliessen. «Die Ersatzangebote Postagentur und Hausservice stellen einen klaren Abbau des Service public dar», so der Thurgauer Regierungsrat. Mit der Post-Verordnung werde die «Grundversorgung mit Postdiensten und Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs für die Bevölkerung weiter Landesteile erheblich verschlechtert».
Auch der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross ist mit dem Service public der Post unzufrieden. In einem Vorstoss kritisiert er, dass die Post beginne, «Postbüros selbst in Gebieten aufzuheben, in welchen sie noch erhebliche Erträge abwerfen, und durch Vier-Quadratmeter-Postboxen in Lebensmittelläden zu ersetzen».
Wie wichtig der Bevölkerung der Erhalt der lokalen Post ist, zeigt Urnäsch AR. Der Gemeinderat hatte bereits seine Einwilligung zur Umwandlung in eine Agentur im Mercato-Shop abgegeben. Doch nach einer Petition mit 847 Unterschriften setzte er eine Abstimmung an. Mit fast 68 Prozent sprach sich das Stimmvolk im April dafür aus, das Einverständnis der Gemeinde zurückzuziehen. Nun liegt der Ball wieder bei der Post.
Leistungsabbau: Alternativen zur Poststelle
Postagentur: Als Agentur bezeichnet die Post eine zweiteilige Box, die meist in einem Dorfladen untergebracht ist. An einer Selbstbedienungswaage kann die Kundschaft Briefe und Pakete aufgeben. Auch der Einkauf von Briefmarken und das Abholen von Sendungen sind möglich. Ausgenommen sind Spezialsendungen wie Betreibungs- und Gerichtsurkunden, Sendungen mit Nachnahme oder Zollausgaben/Taxen sowie Baranweisungen. Dafür muss die nächstgelegene Poststelle aufgesucht werden.
Einzahlungen lassen sich auch erledigen, allerdings nur bargeldlos mit einer Postfinance- oder Maestro-Karte. Das ist für viele, besonders ältere Menschen auf dem Land ein Problem, denn sie sind sich gewohnt, ihre Einzahlungen mit Bargeld zu tätigen. Laut Post sind im letzten Jahr noch 30,4 Prozent aller Zahlungen am Postschalter erfolgt, davon 85 Prozent in bar. Betreut sind Postagenturen durch das Ladenpersonal. Grosser Vorteil einer Agentur sind die gegenüber einer Poststelle attraktiveren Öffnungszeiten.
Hausservice: Der Hausservice ist eine Poststelle vor der eigenen Haustür. Wer ein Postgeschäft erledigen möchte, bringt an seinem Briefkasten ein kleines Schild an. Der Briefträger klingelt dann bei seiner nächsten Zustelltour und erkundigt sich nach den Wünschen. Bargeldlose Einzahlungen sind nicht möglich, Bareinzahlungen schränkt die Post ein. Auf Vorbestellung gibt es Briefmarken und Barbezüge vom eigenen Postkonto.
Für Berufstätige, die während der Tour des Briefträgers abwesend sind, ist der Service untauglich. Sie müssen zum Abholen von eingeschriebenen Sendungen die nächste noch existierende Poststelle aufsuchen. Auch für die übrigen Postgeschäfte brauchen sie eine Poststelle.
Initiative «pro service public»: Unterschreiben Sie!
Mit der Volksinitiative «Pro Service public» wollen saldo und der «K-Tipp» dafür sorgen, dass Bundesbetriebe wie SBB, Post und Swisscom den Bürgern in erster Linie einen guten und bezahlbaren Service bieten.
Den Unterschriftenbogen finden Sie auf Seite 16. Weitere Bogen können Sie bestellen: «K-Tipp», «Pro Service public», Postfach 431, 8024 Zürich, oder Tel. 044 266 17 17. Die Bogen lassen sich auch unter www.proservicepublic.ch herunterladen («Unterschriftenbogen» anklicken) und ausdrucken.
Wichtig: Auf einem Bogen dürfen sich nur Stimmberechtigte eintragen, die in derselben politischen Gemeinde stimmberechtigt sind.
Senden Sie auch nicht voll ausgefüllte Listen ein!