Verkäufer von Lebensversicherungen zeigen in ihren Beratungsgesprächen anhand der Offerten, welche Leistungen garantiert sind. Bei gemischten Versicherungen mit Sparteil ist anhand von Tabellen ersichtlich, wie viel Geld man am Ende der Laufzeit garantiert erhält.
Beispiel: Eine 43-jährige Frau aus Reinach/BL schloss 2015 bei der Zurich die Lebensversicherung «Vorsorge Premium» ab. Die Laufzeit beträgt zwanzig Jahre. Die Frau zahlt jährlich 6768 Franken ein. Ein Teil der Prämie fliesst als Provision an den Verkäufer, ein anderer aufs Konto Verwaltungskosten, ein weiterer als Gewinn in die Tasche der Zurich-Aktionäre. Der Versicherungsteil dient der Abdeckung von Risiken wie etwa der Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit oder der Auszahlung eines Todesfallkapitals. Der grösste Teil der Prämie geht in die Äufnung des Sparkapitals, das am Ende der Laufzeit ausbezahlt werden soll.
Bei diesem Sparteil liegt das Problem: Auch nach 20 Jahren wird die von der Versicherung garantierte Auszahlung tiefer liegen als die Summe aller Beiträge, welche die Versicherte über die ganze Laufzeit des Vertrags einzahlt. Die Frau macht also wahrscheinlich einen Verlust.
Die Versicherungsgesellschaften wissen, dass solch tiefe garantierte Leistungen nicht attraktiv sind. Deshalb ziehen sie häufig Berechnungen mit Überschussbeteiligungen als Lockvogel heran – zum Teil mit auf den Franken genauen Prognosen, wie viel Kunden über die Jahrzehnte hinweg erhalten sollen.
Überschüsse sind ausdrücklich nicht garantiert
Doch diese Überschussprognosen sind reine Theorie. Bei Vertragsabschluss ist jeweils völlig offen, ob und allenfalls wie viel die Versicherung als Überschüsse auszahlt. Diese sind ausdrücklich nicht garantiert. Die Versicherer können jedes Jahr frei festlegen, ob und allenfalls welchen Versichertengruppen sie eine freiwillige Zahlung aus den Überschüssen zukommen lassen wollen.
Die Kunden haben keine Möglichkeit, unabhängig überprüfen zu lassen, wie die aktuelle Überschusszuweisung der Versicherung zustande kam. Häufig passiert es sogar in guten Börsenjahren, dass Kunden keine oder nur eine sehr magere Überschussbeteiligung erhalten.
Stichprobe: Alle sechs Versicherer zu optimistisch
Die Versicherungen lagen bisher mit ihren Prognosen weit daneben. Dies zeigte bereits eine saldo-Umfrage aus dem Jahr 2009 (saldo 4/2009). Eine aktuelle Stichprobe zu den Überschüssen für 2020 bestätigt den damaligen Befund (siehe Tabelle im PDF). Basis des Vergleichs: Ein 55-jähriger Mann schloss 2010 eine Sparversicherung bis 2020 ab. Finanziert wurde die Police mit einer Einmaleinlage von 100 000 Franken.
Ergebnis: Alle angefragten Versicherer, die ihre Zahlen offenlegten, hatten zu optimistische Überschüsse in Aussicht gestellt. Helvetia, Axa Winterthur und die Baloise Group erreichten nicht einmal das tiefste Szenario. Nur die Allianz erreichte den mittleren Wert, der aber sehr tief angesetzt war. Am deutlichsten verschätzt hatte sich die Helvetia, welche mit Abstand die höchsten Überschüsse prognostizierte: Sie stellte im schlechtesten Szenario einen Überschuss von 11 104 Franken in Aussicht. Effektiv erhielt der Kunde 8336 Franken.
Massiv verschätzt hatte sich auch die Axa Winterthur: Sie stellte im schlechtesten Szenario einen Überschuss von 6904 Franken in Aussicht. Effektiv erhielt der Kunde nur 4553 Franken. Von der angepeilten mittleren Jahresrendite im schlechtesten Fall von 1,25 Prozent resultierten noch 1,03 Prozent pro Jahr.
Fazit: Für den Entscheid über den Abschluss einer Lebensversicherung sollte man sich immer nur auf die garantierten Leistungen stützen. Mit den prognostizierten Überschussbeteiligungen sollte man auf keinen Fall rechnen – so wenig wie mit einem Gewinn im Lotto.