Ein Aargauer Imker alarmierte kürzlich die Kantonspolizei. 600 000 seiner Bienen seien verendet. Die Ursache: Ein Bauer hatte das eigentlich unproblematische Insektizid «Pirimicarb 50 WG» versprüht, um Blattläuse zu bekämpfen. Doch das Pestizid war mit Fipronil verunreinigt. Das Insektengift ist in der Schweiz verboten. Der Bauer hatte das Spritzmittel bei der Landi gekauft. Bereits 2015 tötete ein mit Fipronil verunreinigtes Insektizid im Thurgau und im Emmental mehrere Hunderttausend Bienen.
Landi-Besitzerin Fenaco bedauert den neuen Fall. Das Insektizid stamme von der Langenthaler Sintagro AG, die es bei der Schweizer Niederlassung einer indischen Firma gekauft habe, der Sharda Cropchem Ltd. Die Fenaco sagt dazu, sie verlasse sich bei Pestiziden auf langjährige Partner wie etwa Sintagro. Die Produkte hätten «ein aufwendiges behördliches Zulassungsverfahren» durchlaufen.
Doch das reicht nicht. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) prüft bei der Zulassung von neuen Pestizidprodukten fast nur Papiere. Jedes Unternehmen muss zwar ein Muster seines Pestizids an die Zulassungsstelle schicken. Jedes Jahr kommen 60 Anträge rein. Das BLW lässt im Labor pro Jahr aber nur 10 bis 20 Muster prüfen. Es untersucht, ob der richtige Wirkstoff in der richtigen Menge und Beschaffenheit enthalten ist.
Pro Jahr kommen durchschnittlich nur 28 Produkte ins Labor
Das Amt überprüft mit den Kantonen zudem stichprobenweise Pestizide in den Läden. Von 2014 bis 2018 kamen laut den Jahresberichten durchschnittlich 28 Produkte pro Jahr ins Labor. Bei 16 Produkten gab es Abweichungen der Wirkstoffmenge gegenüber der Zulassung. Drei davon beanstandete das Bundesamt. Auf den Etiketten standen häufig falsche Wirkstoffnamen, Konzentrationen oder Chargennummern, oder es fehlten Angaben zu Sicherheitsauflagen.
Erstaunlich: Die Tester untersuchten die Pestizide nur 2016 und 2017 systematisch auf Verunreinigungen mit anderen Wirkstoffen – also in den Jahren nach den Vorfällen im Thurgau und im Emmental. 8 von 72 Produkten waren kontaminiert.
Zum Vergleich: In der Schweiz sind 3368 Pestizidprodukte zugelassen. In ihnen stecken laut Bundesamt für Landwirtschaft 381 Wirkstoffe.
Andreas Bosshard vom Verein Vision Landwirtschaft kritisiert die geringe Anzahl Laboruntersuchungen als «Stochern im Heuhaufen». Für Yves Zenger von Greenpeace zeigen die Verunreinigungen, dass die Pestizidzulassung nicht funktioniert. «Das Bundesamt für Landwirtschaft setzt Menschen und Tiere im Blindflug einem unkontrollierten Feldversuch aus.»
Kritik übte vor kurzem auch eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Sie kritisierte die Zulassungspraxis des Bundesamtes als mangelhaft und intransparent. Das BLW hält mehr Laboruntersuchungen nicht für nötig: «Unserer Erfahrung nach ist die Anzahl nicht konformer Produkte sehr gering.»