Rita Duss aus Nottwil LU hatte schon länger bemerkt, dass etwas mit ihren Augen nicht mehr stimmte: «Ich sah immer schlechter und kniff ständig die Augen zusammen.» In immer kürzeren Abständen brauchte sie neue Brillengläser. Die heute 76-Jährige litt an grauem Star.
Die Augenkrankheit ist eine typische Alterserscheinung. Die Linse des Auges wird mit den Jahren trüb. In der Schweiz müssen sich laut Krankenkassen-Verband Santésuisse pro Jahr mehr als 110 000 Patienten einer Operation des grauen Stars unterziehen. Der Chirurg ersetzt dabei die trübe Linse durch eine künstliche. Viele Ärzte wollen ihren Kunden teure Speziallinsen mit Zusatzfunktionen schmackhaft machen (siehe Tabelle unten).
Doch für Fachleute ist klar: Meistens sind Standardlinsen die beste Wahl. Arzt Jens Funk von der Augenklinik des Zürcher Unispitals sagt: «Sie haben sich bewährt, bieten eine gute Sicht und verursachen kaum Komplikationen.» Die Linsen sind entweder für die Ferne oder für die Nähe korrigiert. Oft brauchen Patienten dann noch eine Brille, zum Beispiel zum Lesen. Auch Rita Duss entschied sich für Standardlinsen und ist sehr zufrieden damit. Eine Brille braucht sie heute nur noch, wenn sie nachts mit dem Auto fährt: «So fühle ich mich sicherer.»
«Die Sicht bei Multifokallinsen ist weniger scharf»
Von teuren Multifokallinsen rät Jens Funk in den meisten Fällen ab. Sie korrigieren die Sehkraft sowohl für die Nähe wie auch für die Ferne – wie eine Gleitsichtbrille. «Die Sicht ist hier weniger scharf und weniger kontrastreich», sagt der Augenarzt. Viele Patienten stören sich auch an Lichtreflexen und -höfen, vor allem wenn es dämmert. Multifokallinsen eignen sich nur, wenn man nach der Operation unbedingt keine Brille mehr will. Funk warnt aber: «Man darf nicht zu viel erwarten.»
Schutz durch Linsen mit Blaufilter ist nicht erwiesen
Auch bei weiteren Zusatzfunktionen ist fraglich, ob sie den Patienten Vorteile bringen. So zum Beispiel der Blaulichtfilter. Claude Kaufmann, Leitender Arzt an der Augenklinik des Kantonsspitals Luzern, sagt: «Wir setzen solche Linsen nur gelegentlich ein.» In Labortests gab es zwar Hinweise, dass die blauen Anteile des Lichts die Netzhaut schädigen und so die Augenkrankheit Makuladegeneration fördern könnten. Kaufmann: «Es ist jedoch nicht bewiesen, dass Linsen mit Blaufilter tatsächlich davor schützen.»
Immerhin hat der Blaulichtfilter für Patienten sonst keine Nachteile. «Er stört das Wahrnehmen von Farbe und Kontrast nicht», sagt Kaufmann. Befürchtungen, dass der Filter die innere Uhr durcheinander bringt, seien ebenfalls unbegründet. Denn auch die natürliche Linse verfärbe sich mit dem Alter gelblich und filtere das blaue Licht dann sogar noch stärker.
Viele Krankenkassen zahlen unterdessen auch asphärische Linsen. «Diese Linsen verbessern bei schlechten Lichtverhältnissen das Wahrnehmen von Kontrasten», sagt Kaufmann. In einer Fachpublikation schränkt die deutsche Augenärztin Anja Liekfeld jedoch ein, dass diese Linsen «nur für eine kleine Gruppe tatsächlich von Vorteil sind», zum Beispiel für jene, die oft nachts Auto fahren.
Augenarzt Jens Funk betont zudem, dass der Chirurg Speziallinsen ganz besonders sorgfältig platzieren muss, damit sie funktionieren. Das gilt insbesondere für Multifokallinsen, aber auch für asphärische und torische. Torische Linsen korrigieren zusätzlich eine verkrümmte Hornhaut. «Sinnvoll sind diese vor allem bei einer starken Hornhautverkrümmung», sagt Funk.
Kostengutsprache einholen
Die Grundversicherung zahlt für die Operation des grauen Stars, wenn man sie ambulant durchführen lässt. Will man sie stationär machen oder bei einem Belegarzt in einer Privatklinik, übernimmt die Grundversicherung oft nicht alle Kosten.
Holen Sie deshalb vor dem Eingriff eine schriftliche Kostengutsprache bei Ihrer Krankenkasse ein. Nennen Sie die Klinik, den Arzt, die Art der Operation und die Art der Linsen, die der Arzt Ihnen vorgeschlagen hat.
Tipp: Lassen Sie beide Augen innerhalb des gleichen Kalenderjahrs operieren. Auf diese Weise wird die Franchise nur einmal fällig.