Vor dem Verhandlungssaal des Bezirksgerichts in Dielsdorf ZH tuschelt der ehemalige Produktionsleiter nervös mit seinem Anwalt. Der Verwaltungsrat seines früheren Arbeitgebers dagegen strahlt Gelassenheit aus und spricht mit seinem Anwalt gut hörbar über dies und das.
Dann beginnt die Verhandlung. Der Anwalt des ehemaligen Angestellten begründet die Klage. Sein Mandant habe von Dezember 1990 bis September 2017 für die Elektronikfirma gearbeitet. «Beim Einstellungsgespräch wurde meinem Klienten mündlich zugesichert, dass er jedes Jahr eine Gratifikation in der Höhe eines Monatslohns erhält.» Die Firma habe das Versprechen lange Zeit eingehalten. Bis 2011 habe sie jährlich eine Gratifikation in der Höhe eines Monatslohnes ausbezahlt. «Dies auch dann noch, als sich das Geschäftsergebnis verschlechtert hatte. Und obwohl für diesen Fall abgemacht worden war, dass keine Gratifikation geschuldet sei.»
In den Jahren 2012, 2013 und 2014 habe sein Mandant dann allerdings nur eine gekürzte Gratifikation erhalten. Der Grund dafür sei nicht nachvollziehbar: «Mein Mandant war weder mit der Arbeit überfordert, noch engagierte er sich weniger für die Firma.» Aus diesem Grund sei eine rückwirkende Auszahlung des Bonus für diese drei Jahre angebracht.
Regelmässige Auszahlung macht Grati fixen Lohnbestandteil
Der Anwalt fordert zudem die Auszahlung der Grati im Jahr der Kündigung. Der Angestellte wurde Ende September 2017 entlassen. «Für dieses Jahr steht ihm noch eine Gratifikation in der Höhe von drei Vierteln eines Monatslohns zu.» Alles in allem habe der Kläger 21 250 Franken zugut.
Der Anwalt der Firma plädiert für die Abweisung der Klage. Im Einstellungsgespräch sei dem Kläger klar mitgeteilt worden, dass die Gratifikation bei schlechtem Geschäftsgang, ungenügendem Einsatz oder häufigen Absenzen gekürzt oder gestrichen werden könne. Bereits 1991 und 1992 habe der Kläger keine und 1993 nur eine gekürzte Gratifikation erhalten. «Der Geschäftsgang liess in diesen Jahren nichts anderes zu.» Da sich das Geschäftsergebnis ab 2012 nochmals dramatisch verschlechterte, habe die Firma 2012 bis 2014 allen Mitarbeitern die Gratifikation gekürzt. «Sie nutzte dabei den ihr zustehenden Ermessensspielraum.»
Nach einer kurzen Pause begründet der Einzelrichter seine rechtliche Beurteilung: «Aufgrund der jahrelangen Auszahlung in der Höhe eines Monatslohnes ist die Gratifikation zu einem festen Lohnbestandteil geworden.» Dem Kläger stünden die eingeklagten 21 250 Franken deshalb zu.
Im Urteil wird das Unternehmen zudem verpflichtet, seinem ehemaligen Angestellten zusätzlich eine Entschädigung von 4000 Franken für dessen Anwaltskosten zu bezahlen.
In diesen Fällen gehört die Gratifikation fix zum Lohn
Eine Gratifikation ist laut Gesetz eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Sie kann vom Geschäftsgang, von der Leistung des Angestellten, von seinem Verhalten oder anderen Bedingungen abhängig gemacht werden. So kann vereinbart werden, dass die Gratifikation nur geschuldet ist, wenn sich der Arbeitnehmer am Jahresende in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Die Höhe der Gratifikation ist offen. Wird aber mündlich oder schriftlich abgemacht, dass jeweils Ende Jahr eine Gratifikation in der Höhe eines 13. Monatslohns ausbezahlt wird, ist das nicht mehr freiwillig, sondern vertragliche Pflicht des Arbeitgebers. Das Gleiche gilt, wenn ein Unternehmen jahrelang vorbehaltlos einen 13. Monatslohn auszahlt, ohne dass dies im Vertrag festgehalten wurde. In diesem Fall geht man von einer stillschweigenden Vereinbarung aus. Diese begründet dann einen festen Anspruch.