Die Molkerei Züger verkauft ihren veganen Frischkäse «Cottage Drops» sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland. Für den Verkauf in der Schweiz steht auf der Packung: «Zu verbrauchen bis 29.1.2025». Für Deutschland heisst es auf dem gleichen Frischkäse: «Mindestens haltbar bis 29.1.25».
Eine Stichprobe von saldo in mehreren deutschen und Schweizer Läden zeigt: Auch Weichkäse, saurer Halbrahm und gesäuerte Milchprodukte wie Crème fraîche datieren die Hersteller in beiden Ländern unterschiedlich: in Deutschland durchwegs mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum, in der Schweiz meist mit dem Verbrauchsdatum.
Gut haltbarer Emmentaler braucht kein Verbrauchsdatum
Das gilt auch für den Schweizer Emmentaler. Er wird in jeder Molkerei nach dem gleichen Verfahren hergestellt und gehört nicht zu den schnell verderblichen Produkten. In Deutschland und vielen Schweizer Läden ist er durchwegs mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Anders bei Aldi Schweiz: Hier wird er mit einem Verbrauchsdatum verkauft.
Wo liegt der Unterschied zwischen «Zu verbrauchen bis» und «Mindestens haltbar bis»? Lebensmittel mit einem Letzt-Verbrauchsdatum sollten nach Ablauf nicht mehr konsumiert werden, da sie verdorben sein könnten.
Eine andere Bedeutung hat das Mindesthaltbarkeitsdatum: Solche Produkte sind bis zum aufgedruckten Datum einwandfrei, können es aber auch noch länger sein. Verantwortlich für die Datierung eines Lebensmittels sind die Hersteller und Händler. Sie müssen laut Gesetz angeben, bis wann ein Produkt noch qualitativ einwandfrei ist.
Mindesthaltbarkeits- statt Verbrauchsdatum gefordert
Gemäss einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, die 2021 im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit erstellt wurde, sollten acht Kategorien von Lebensmitteln künftig umdatiert werden. Vor allem gesäuerte Milchprodukte, pasteurisierte Weichkäse und pflanzliche Milchersatzprodukte müssten statt mit einem Verbrauchsdatum neu mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen werden, so die Studie. Der Bund übernahm diese Empfehlungen in einen Leitfaden zur Datierung von Lebensmitteln.
Vorteile der Umdatierung: Die Konsumenten sehen, dass es beim aufgedruckten Datum um eine Mindesthaltbarkeit geht und dass die Produkte je nach Zustand auch nachher noch konsumiert werden können. Und gemeinnützige Organisationen wie die Stiftung Schweizer Tafel oder Tischlein deck dich dürfen einwandfreie Lebensmittelspenden trotz Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums an Bedürftige weitergeben.
Die Stiftung Schweizer Tafel stellte in einer Untersuchung allerdings fest, dass einige Lebensmittelhersteller die neuen Empfehlungen des Bundes nicht anwenden. Sie halten also am Verbrauchsdatum fest und wechseln nicht aufs Mindesthaltbarkeitsdatum. Deshalb muss die Spendenorganisation einwandfreie überschüssige Lebensmittel wegwerfen, statt sie an Obdachlosenheime, Gassenküchen und Notunterkünfte verteilen zu können.
Aldi und Coop schreiben auf Anfrage von saldo, die Umstellung der Datierung vom Verbrauchsdatum zum Mindesthaltbarkeitsdatum sei im Gange. Lidl und Migros geben an, eine eventuelle Anpassung sei in Prüfung. Die Molkerei Züger sagt, die Umstellung sei mit Kosten und Aufwand verbunden, sie werde aber in den kommenden Jahren erfolgen.
Das bedeuten die Angaben auf Lebensmitteln
- «Zu verbrauchen bis»: Lebensmittel mit diesem Hinweis sind leicht verderblich und bilden nach kurzer Zeit eine Gefahr für die Gesundheit. Es handelt sich dabei vor allem um Fleisch- und Fischprodukte. Diese Esswaren sollten nach Ablauf des Datums nicht mehr konsumiert werden.
- «Mindestens haltbar bis»: Diese Lebensmittel können je nach Zustand über das Datum hinaus für einige Zeit risikolos konsumiert werden. Dazu gehören zum Beispiel fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Quark: Diese Esswaren können – verschlossen und in der Originalverpackung – im Kühlschrank noch mehrere Wochen haltbar sein. Bei diesen Lebensmitteln sollte man vor dem Essen kontrollieren, ob sie optisch, geruchlich und geschmacklich in Ordnung sind.
- «Oft länger gut»: Dieser Zusatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum verdeutlicht, dass das Lebensmittel über das angegebene Datum hinaus geniessbar sein kann.
- «+90 Tage, wenn eingefroren»: Abgepacktes Frischfleisch darf bis 90 Tage nach dem Einfrierdatum verkauft werden. Es wurde spätestens am Tag des Verbrauchsdatums eingefroren und mit einer neuen Etikette versehen.
Schätzungen statt Fakten zur Verschwendung von Lebensmitteln
Verschiedene Zeitungen der Tamedia-Gruppe berichteten Ende 2024, private Haushalte seien mit rund einem Drittel die Hauptverursacher der Lebensmittelverschwendung. Pro Person würden in der Schweiz Produkte im Gegenwert von 620 Franken pro Jahr weggeworfen. Bei einer vierköpfigen Familie würde das jährlich rund 2500 Franken ausmachen. Auch Behörden des Bundes und der Kantone verbreiten diese Meldung im Internet.
Basis der Zahlen ist ein Bericht der ETH Zürich aus dem Jahr 2019, der vom Bundesamt für Umwelt in Auftrag gegeben wurde. Er stützte sich auf eine Untersuchung von vereinzelten Kehrichtsäcken im Jahr 2014 und eine Untersuchung von Grüngut aus dem Jahr 2018.
Mangels sicherer Schweizer Daten zogen die Studienautoren zudem eine Untersuchung aus England und Wales von 2012 heran und übertrugen diese auf die Schweiz (saldo 17/2013, «K-Tipp» 19/2022). Rüstabfälle wie zum Beispiel Kartoffelschalen wurden dort als Lebensmittelverschwendung mitgezählt.
Eine Schweizer Kehrichtsackanalyse aus dem Jahr 2022 zeigt: Die Rüstabfälle machen fast die Hälfte aller Essens- und Pflanzenreste im Kehrichtsack aus. Fazit: Die vom Bund und den Medien verbreiteten Berechnungen zur Lebensmittelverschwendung in Haushalten sind grobe Schätzungen und zu hoch gegriffen.