Der 88-Jährige erscheint mit Anwalt, Sohn und Schwiegertochter vor Gericht. Mit der Beklagten, seiner ältesten Tochter, wechselt er kein Wort. Auch sie ist mit einem Anwalt erschienen und wird von ihrem Ehemann begleitet. Der Einzelrichter am Bezirksgericht Kriens LU schickt Sohn und Schwiegertochter vor die Tür. Sie kommen allenfalls als Zeugen in Frage. Im Juni 2021 verlangte der Vater von seiner Tochter 25'000 Franken zurück.
Laut seinem Anwalt hatte er das Geld auf ihr Drängen von seinem Konto abgehoben und ihr zur sicheren Aufbewahrung übergeben. Die Tochter und deren Schwester hätten ihn überzeugt, dass das Geld auf dem Konto nicht sicher sei, weil der Sohn über eine Vollmacht verfügte. «Die Tochter versprach, er könne das Geld jederzeit wieder beziehen», fährt der Anwalt fort. Sie habe sich aber geweigert, als er 2000 Franken für das Bezahlen von Rechnungen gebraucht habe. Deshalb fordere sein Mandant nun den gesamten geliehenen Betrag zurück.
Der Anwalt der Tochter stellt die Sache anders dar: «Der Vater hat ihr die 25'000 Franken als Wiedergutmachung geschenkt.» Man müsse die Familiengeschichte kennen, um das zu verstehen. Die Tochter sei von den Eltern stets finanziell benachteiligt worden. «Dem Sohn haben sie zwei Studiengänge finanziert.» Dieser habe zudem das Elternhaus 40'000 Franken unter dem Schätzwert kaufen können.
Die Schätzung sei fünf Jahre her und das Haus inzwischen noch mehr wert. Seine Mandantin habe eine sehr schwere Kindheit gehabt, wofür der Vater eine Mitverantwortung trage, schliesst der Anwalt. Dieser habe das mit der Schenkung wiedergutmachen wollen. «Der Vater wollte sich vor seinem Tod mit der Tochter versöhnen und gab ihr das Geld aus diesem Grund», sagt der Anwalt.
«Zerrüttetes Verhältnis, weil Tochter zum Islam konvertierte»
Der Anwalt des Vaters will von einer Benachteiligung der Tochter nichts wissen. Die Geschwister hätten verschiedene Bildungswege eingeschlagen. Die beiden Töchter hätten nach dem Tod ihrer Mutter je 70'000 Franken aus der Erbschaft erhalten, der Sohn dagegen nichts. «Das Verhältnis zur Tochter ist zerrüttet, weil sie zum Islam konvertierte», begründet der Anwalt die schwierigen Verhältnisse.
Die Tochter habe befürchtet, dass der Sohn das Geld für eine Renovation des Hauses verwenden würde. Deshalb habe sie es für den Vater aufbewahren wollen. Nun will sich der Einzelrichter selbst ein Bild von den Geschehnissen machen. Er befragt zuerst die jüngere Tochter, die Schwester der Beklagten. Ihr Vater habe ihr erzählt, dass er der älteren Schwester das Geld als Wiedergutmachung gegeben habe, sagt die Frau. Nach dem Tod seiner Geschwister habe der Vater wieder Kontakt zu seinen Töchtern gesucht. Sie bestätigt die Benachteiligung ihrer Schwester: «Unserem Bruder wurde das Studium finanziert, auch mich unterstützten die Eltern finanziell.»
Der Richter befragt den Vater, ob er der Tochter das Geld geschenkt habe. Dieser will von einer Schenkung nichts wissen und schweift ab: Nach Jahren habe er wieder Kontakt zu seinen Töchtern gesucht, doch diese hätten ihn ins Altersheim abschieben wollen. Er habe keinen Muslim in seinem Haus haben wollen, deshalb habe er das Eigenheim seinem Sohn verkauft.
Am Schluss kommt die beklagte Tochter zu Wort. Sie erzählt, wie sie und der Kläger sich bei der Übergabe des Geldes mit Tränen in den Augen versöhnt hätten. Ihr Vater habe ihr die 25'000 Franken wegen ihrer schwierigen Kindheit und der finanziellen Benachteiligung geschenkt. Es sei nicht die Art des Vaters, sie vor Gericht zu zerren. Sie vermutet, dass ihr Bruder und dessen Ehefrau ihn dazu gebracht hätten.
Der klagende Vater muss am Schluss 11'000 Franken bezahlen
Weder Vater noch Tochter wollen einen Vergleich. Deshalb muss der Einzelrichter entscheiden. Er weist die Klage des Vaters ab. Die Aussagen der Töchter seien überzeugend. Demgegenüber habe der Vater Mühe gehabt, Fragen zu beantworten, und scheine das gesagt zu haben, was sein Sohn hören wollte. Der Kläger muss die Gerichtskosten von 2800 Franken und eine Prozessentschädigung für den Anwalt der Tochter in der Höhe von 8200 Franken bezahlen.
Schriftlicher Vertrag schafft Klarheit
Die Gerichte müssen sich immer wieder damit befassen, ob überlassenes Geld ein Geschenk oder ein Darlehen war. Vor allem unter Verwandten und Bekannten hilft man sich häufig ohne Vertrag mit Geld aus. Kommt es später zum Zerwürfnis, ist oft die Frage strittig, ob es sich um ein Darlehen oder um ein Geschenk handelt. Beweisen lässt sich in der Regel nur die Überweisung des Geldes. Im Zweifel gehen die Gerichte von einem Darlehen aus. Deshalb sollte man eine Schenkung unbedingt schriftlich festhalten.