Vom Verhandlungsraum des Bezirksgerichts Horgen ZH blickt man auf eine grüne Wiese. «Letztes Mal hörte man Schafe», sagt der Anwalt des Beklagten. Das sei angenehmer als das Rufen der Häftlinge aus dem angrenzenden Gefängnis, entgegnet die Richterin.
An diesem Morgen bleiben sowohl Schafe als auch Gefangene stumm. Stattdessen wird um eine Autoreparatur gestritten. Anwesend sind die Anwälte eines Architekturbüros und einer Autogarage. Der Inhaber des Architekturbüros kommt zu spät, von der Autogarage taucht niemand auf.
Das Architekturbüro hatte der Autogarage im Februar 2021 einen Jeep Cherokee zur Reparatur übergeben. Der Turbolader war defekt. Nach der Reparatur stellte sich heraus, dass auch der Motor kaputt war. Der Anwalt des Architekturbüros ist überzeugt: «Der Versuch, den Turbolader zu reparieren, führte zum Motorenschaden.»
Bei der Übergabe des Autos zur Reparatur sei von «wenigen Tagen oder Wochen» bis zur Rückgabe die Rede gewesen. Die Garage händigte den Jeep dann aber nicht zum vereinbarten Zeitpunkt aus. Eine vom Architekturbüro gesetzte Frist bis zum April 2021 liess die Garage verstreichen. «Sie flüchtete sich in Ausreden», sagt der Anwalt der Klägerin.
Im Dezember 2021 – also nach zehn Monaten – trat das Architekturbüro vom Vertrag zurück. Es verlangt nun von der Autogarage Schadenersatz in der Höhe von 25'000 Franken plus Verzugszins. 22'000 Franken habe das Leasing eines Ersatzfahrzeugs von März 2021 bis Februar 2022 gekostet, die restlichen 3000 Franken seien für Motorversicherung und Verkehrsabgaben angefallen. «Das Architekturbüro ist auf einen Dienstwagen angewiesen, was die Autogarage auch wusste», sagt der Klägeranwalt.
Das Architekturbüro lehnte angebotenes Ersatzauto ab
Der Anwalt der Autogarage sieht die Schuld für die verspätete beziehungsweise unterbliebene Rückgabe nicht bei seinem Klienten. Bei der Reparatur am Turbolader habe die Garage den Motorenschaden festgestellt, sagt der Anwalt. Er sei nicht von ihr verschuldet worden.
Danach habe die Garage bei der Schweizer Vertretung von Jeep einen neuen Motor bestellt. Aufgrund von Lieferproblemen im Zusammenhang mit der Coronapandemie sei dieser aber nie geliefert worden.
«Mein Klient bot dem Architekturbüro im März 2021 einen Ersatzwagen an.» Diesen habe das Büro nicht akzeptiert, und auch spätere Ersatzangebote habe es zurückgewiesen. «Damit hat das Architekturbüro seine Schadenminderungspflicht verletzt.» Der Anwalt fordert die Abweisung der Klage.
Leasing eines «Luxuswagens» wäre nicht nötig gewesen
Das Gericht fällt das Urteil schriftlich: Das Architekturbüro habe Anspruch auf Schadenersatz, falls die Autogarage nicht nachweisen könne, dass ihr keinerlei Verschulden anzulasten sei. Die Garage könne das nicht beweisen und sei deshalb grundsätzlich schadenersatzpflichtig.
Allerdings hält das Gericht auch fest, dass das Architekturbüro seinen Schadenminderungspflichten nicht vollumfänglich nachgekommen sei. Es sei viel zu spät vom Vertrag zurückgetreten – erst im Dezember 2021, obwohl die Garage bereits im April 2021 im Verzug gewesen sei. Auch habe es sich beim vom Architekturbüro geleasten Auto um einen «Luxuswagen» gehandelt. Ein Mittelklassewagen hätte gereicht.
Den Schadenersatzanspruch der Klägerin reduziert das Gericht auf 6000 Franken, was in etwa den Leasingraten für drei Monate entspricht. Die Gerichtsgebühr von 4000 Franken wird zu drei Vierteln dem Architekturbüro auferlegt, zu einem Viertel der Garage. Zudem muss das Architekturbüro der Garage eine Prozessentschädigung von 2500 Franken zahlen.
Fazit: Das Architekturbüro erhält von der Garage 6000 Franken, muss aber Prozesskosten von 5500 Franken übernehmen und den eigenen Anwalt bezahlen. Den Jeep hat inzwischen eine andere Garage übernommen.
Vertrag nicht erfüllt: Diese Regeln gelten
Erbringt jemand eine Vertragsleistung nicht rechtzeitig, kann der Gläubiger ihm eine «angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung» ansetzen. Wird auch bis dann nicht geliefert, hat der Gläubiger mehrere Möglichkeiten.
Er kann zum Beispiel vom Vertrag zurücktreten oder immer noch auf Erfüllung pochen, dazu aber Schadenersatz wegen Verspätung verlangen.