Ein Arzt aus dem Kanton Zug erlitt vor sechs Jahren einen Velounfall. Dabei verletzte sich der damals 76-Jährige an Kopf und Wirbelsäule sowie an der rechten Hand und am linken Bein.
Er arbeitete damals noch selbständig als Arzt und war über die Baloise unfallversichert. Diese zahlte die Heilungskosten und Taggelder wegen der Handverletzung für fünf Monate. Sie verweigerte dagegen die Zahlung weiterer Taggelder für die Rückenschmerzen, an denen der Betroffene seit dem Unfall leidet. Dagegen wehrt sich der Arzt vor Gericht.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug tagt im fünften Stock eines Hochhauses. Die Aussicht über den Zugersee wäre sehenswert. Doch zum Schutz vor der Sonne sind die Läden verschlossen. Der Anwalt des Arzts schildert den Fall: «Mein Mandant kollidierte auf dem Velo mit einem Pfosten und stürzte auf den Asphalt.» Seither leide er an Rückenschmerzen. Entscheidend sei nun die Frage, ob das Leiden durch den Aufprall auf den Boden verursacht worden sei.
Gutachter ist «kein Spezialist für Halswirbel»
Die Baloise habe ein medizinisches Gutachten erstellen lassen, das die Frage verneine. «Der Gutachter sieht die Ursache der Schmerzen nicht im Unfall sondern in einer Vorerkrankung, einem zu langen Bein», sagt der Anwalt. Der Gutachter behaupte, die Folgen wären auch ohne das Ereignis eingetreten. «Da sind wir klar anderer Meinung.»
Ausserdem sei der Baloise-Gutachter «Internist und Rheumatologe, aber kein Spezialist für Halswirbel», argumentiert der Anwalt weiter: Der Gutachter habe die Wirbelsäulenschädigung somit nicht beurteilen können. Auch habe er die Röntgenbilder nicht selbst analysiert. Es sei «schludrig», wenn ein Gutachter nicht über alle Dokumente verfüge und dann daraus ableite, es liege keine Unfallfolge vor. Ein Facharzt habe denn auch bestätigt, dass das Rückenleiden eine Folge des Unfalls sei.
Der Anwalt ersucht das Gericht, die Originalröntgenbilder einem Wirbelsäulenchirurgen vorzulegen. Dieser werde zu einem anderen Resultat kommen. «Mein Mandant ist inzwischen 82 Jahre alt. Ich bitte Sie, eine gerichtliche Begutachtung in die Wege zu leiten, solange mein Mandant noch lebt.»
Richter gibt Versicherung recht – sie muss nicht zahlen
Die Anwältin der Baloise sieht den Fall anders. «Der Beschwerdeführer hat sich mit 76 bei nachweislich vorbestehenden Rückenbeschwerden das Handgelenk gebrochen.» Der Sturz sei nicht so heftig gewesen, dass er neue Rückenbeschwerden verursacht habe. «In der Schadensmeldung sind keine Hüft- und Rückenbeschwerden erwähnt.» Ein Untersuchungsbericht zeige, dass der Arzt bereits vor dem Unfall dieselben Befunde gehabt habe. Erst zwei Jahre nach dem Unfall habe der Versicherte die Rückenleiden gemeldet.
Der Anwalt des verunfallten Arzts bestreitet dies. Durch den Unfall sei ein Teil des Rückenwirbels abgebrochen, das habe man ein halbes Jahr nach dem Unfall festgestellt.
Das Urteil erfolgt schriftlich. Es weist weitere Taggelder wegen der Rückenschmerzen ab. Der von der Baloise beigezogene Gutachter habe «umfassend», «nachvollziehbar» und «einleuchtend» aufgezeigt, dass die Rückenleiden nicht vom Unfall stammen würden. Der Gutachter habe auch alle Röntgenbilder durchgesehen und sei ein geeigneter Spezialist, um die Frage zu klären. Es brauche daher kein neues Gutachten.
Die Baloise habe jedoch nicht hinreichend abgeklärt, ob der Verunfallte allenfalls wegen der Handverletzung länger arbeitsunfähig gewesen sei und daher Anspruch auf mehr Taggelder habe. Das müsse die Versicherung noch abklären.
Das Verfahren ist kostenlos. Die Baloise muss dem Arzt 500 Franken Prozessentschädigung zahlen. Der Arzt ist mit dem Urteil nicht einverstanden und wird beim Bundesgericht eine Beschwerde einreichen.
Unfallmeldung: Beschwerden präzis schildern
Die Unfallversicherung ist nur zuständig für Schäden nach plötzlichen und ungewöhnlichen Ereignissen. Ein plötzlich auftretender Schmerz bei einer normalen Belastung – zum Beispiel beim Rennen – gilt nicht als Unfall.
Eine Verletzung nach einem Sturz hingegen zählt in der Regel als Unfall. Wichtig ist, den Unfallhergang und sämtliche Unfallfolgen bereits in der Schadensmeldung ganz genau zu schildern – auf alle Fälle aber den behandelnden Ärzten.