Eine junge Frau hatte dreieinhalb Monate als kaufmännische Angestellte in einem Solothurner Treuhandbüro gearbeitet und 3850 Franken pro Monat verdient. Dann entliess sie der Arbeitgeber fristlos. Das Amtsgericht Solothurn-Lebern beurteilt ihre Klage in Dreierbesetzung.
Zuerst plädiert der Anwalt der Frau. Er spricht von einem «klassischen Fall» einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung. Zuerst habe der Chef als Grund privates Surfen im Internet genannt, was laut Personalreglement verboten sei. Später habe er von ungenügender Leistung gesprochen und von falschen Stundenrapporten. «Das alles traf aber nicht zu», sagt der Anwalt. Und keiner der Gründe sei so gravierend, dass eine fristlose Entlassung gerechtfertigt gewesen wäre. Seiner Ansicht nach wäre zuerst eine Verwarnung nötig gewesen.
Die ehemalige Angestellte fordert vom Treuhandbüro 5490 Franken Schadenersatz für entgangenen Lohn bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist und entstandene Kosten, 3000 Franken Genugtuung für erlittene Demütigungen plus 21 400 Franken als Entschädigung für die ungerechtfertigte fristlose Entlassung, insgesamt 29'890 Franken.
Zudem verlangt sie ein besseres Arbeitszeugnis. Dort stehe, die Frau habe die Arbeit «zu unserer Zufriedenheit erfüllt», erklärt ihr Anwalt. Die Klägerin habe aber ausserordentlich gut gearbeitet. Deshalb verlange sie Formulierungen wie «absolut hervorragende Leistung», «grösste Sorgfalt» und «ausgezeichnete Auffassungsgabe».
Der Anwalt des Treuhandbüros beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe als kaufmännische Angestellte gearbeitet. Berufsbegleitend habe sie in der Erwachsenenbildung das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Kauffrau erwerben wollen, da sie einst eine kaufmännische Lehre nach zwei Jahren abgebrochen hatte.
«Trotz umfassender Einarbeitung war die Arbeitsleistung nicht zufriedenstellend», sagt der Anwalt. Die Frau sei kaum vorangekommen, habe immer wieder dasselbe gefragt, statt sich Notizen über wiederkehrende Abläufe zu machen. Sie habe familiäre Probleme geltend gemacht. Der damalige Chef habe sie mehrfach verwarnt und ihr eine «letzte Chance» gegeben.
Chronik des Internetbrowsers zeigt Surfverhalten der Frau
Eines Tages habe der Chef «den wahren Grund für die mangelnde Leistung» entdeckt. Die Frau habe «in grossem Umfang» privat im Internet gesurft, während sie laut ihren Arbeitsrapporten Kundenbuchhaltungen bearbeitet habe, sagt der Anwalt: «Sie hat den Arbeitgeber die ganze Zeit angelogen – das Vertrauensverhältnis war endgültig zerstört.» Eine Änderung des «äusserst wohlwollenden» Arbeitszeugnisses lehnt er ab.
Der Anwalt legt den Verlauf des Internetbrowsers auf dem Computer der Angestellten vor. Demnach schrieb die Frau private E-Mails, benutzte ihr Internetbanking, buchte einen Flug, suchte einen Nebenjob und besuchte Internetshops. Und er legt das unterschriebene Personalreglement vor, das private Internetnutzung verbietet. Auf eine Frage des Gerichtspräsidenten antwortet die Frau, sie habe das Reglement ungelesen unterschrieben.
Ihr Anwalt macht geltend, das Reglement sei irrelevant, weil es im Arbeitsvertrag nicht erwähnt sei. Eine Verwarnung mit Kündigungsandrohung sei nie erfolgt. Es habe zwar ein Qualifikationsgespräch gegeben. Das sei aber positiv verlaufen. Das vom Treuhandbüro vorgelegte Gesprächsprotokoll sei «frei erfunden», die Unterschrift der Mandantin darauf fehle.
Eine aktuelle und zwei ehemalige Angestellte des Treuhandbüros sind als Zeugen vorgeladen. Sie können sich an die Vorfälle vor drei Jahren nur bruchstückhaft erinnern. Einer sagt, er habe gesehen, dass die Klägerin eine Internetseite über Dessous angeschaut habe. Er habe sie vor privatem Surfen gewarnt, weil das verboten und der Chef da sehr heikel sei.
Das Amtsgericht kommt zum Schluss, die fristlose Kündigung sei ungerechtfertigt gewesen. Es spricht der Frau 5800 Franken zu. Das sind ein Monatslohn als Entschädigung plus 1450 Franken für nicht von der Arbeitslosenversicherung abgedeckte Lohneinbussen während zweier Monate sowie 500 Franken Genugtuung für eine unnötig verletzende Mitteilung des Arbeitgebers an eine Amtsstelle. Beim Arbeitszeugnis verweigert das Gericht die gewünschten Formulierungen.
Hürden für eine fristlose Entlassung sind hoch
Ein Arbeitsverhältnis kann «aus wichtigen Gründen» per sofort, ohne weitere Lohnzahlung und Arbeitsleistung, aufgelöst werden. Die Gerichte akzeptieren solche fristlose Entlassungen nur in schwerwiegenden Fällen, etwa bei klarem Betrug zulasten des Betriebs oder bei sexueller Belästigung im Betrieb. Sonst ist erst eine klare Verwarnung nötig.
Wer zu Unrecht fristlos entlassen wird, hat Anspruch auf Schadenersatz, also den Lohn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Hinzu kann eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen kommen. Ein Recht auf Wiedereinstellung besteht nicht.