Die zwei Nachbarn treffen sich mit ihren Anwälten vor dem Einzelrichter am Kreisgericht See-Gaster in Uznach SG. Die Stimmung unter ihnen ist frostig. Sie würdigen sich keines Blicks. Beide scheinen froh zu sein, dass die Verhandlung endlich beginnt.
Der Anwalt des Klägers kommt sofort zur Sache. «Der Nachbar parkiert seine zwei Autos so, dass sie immer auf das Grundstück meines Klienten ragen», sagt er. Das Gericht solle das verbieten. Sein Klient habe dieser Verletzung des Eigentumsrechts nie zugestimmt. Im Gegenteil: «Er hat den Nachbarn mehrfach ermahnt, dies zu unterlassen – ohne Erfolg.» Es sei auch schon vorgekommen, dass der Beklagte über das Grundstück seines Mandanten gefahren sei. Zudem habe der Nachbar das Fahrzeug seines Klienten einmal beschädigt.
«Jahrelang beanstandete der Kläger nie etwas»
Der Anwalt des Nachbarn beantragt die Abweisung der Klage. Die Parkplätze seines Klienten befänden sich seit 2016 neben dem Grundstück des Klägers. «Jahrelang beanstandete der Kläger nie etwas. Erst seit Anfang letzten Jahres machte er wiederholt geltend, die Autos meines Mandanten würden auf sein Grundstück ragen.» Dies sei jedoch nicht der Fall. «Er kann das auch nicht beweisen.» Der Kläger habe auf jeden Fall kein genügendes Beweismittel für seine Behauptung eingereicht.
Der Anwalt ergänzt: Selbst, wenn die Autos seines Mandanten gelegentlich auf das Grundstück des Nachbarn ragen würden, müsse der Kläger das dulden. «Dieser Eingriff ins Eigentum des Nachbarn wäre zulässig», sagt er. «Unzulässig wäre nur ein übermässiger Eingriff.» Zum Vorwurf, sein Klient sei über das Grundstück des Nachbarn gefahren, sagt der Anwalt: «Mein Mandant gelangt nur über sein eigenes Grundstück auf seine Parkplätze.» Auch habe er das Fahrzeug des Klägers nie beschädigt.
Der Anwalt des Klägers will das nicht so stehen lassen. Er macht geltend, dass «jeder Eingriff für eine Verletzung des Eigentumsrechts ausreicht». Auch würden die Autos nicht bloss für kurze Zeit auf das Grundstück seines Klienten ragen, sondern während längerer Zeit. Der Anwalt des Beklagten bestreitet auch diesen Sachverhalt: «Die Klage ist geradezu schikanös und auch deshalb abzuweisen.»
Der Richter hält Klage für «etwas kleinlich»
Der Einzelrichter ordnet eine Verhandlungspause an. Anschliessend erklärt er den Parteien, er wisse noch nicht, wie er entscheiden würde, falls er ein Urteil fällen müsste. «Die Klage erscheint mir jedoch ein wenig kleinlich», meint er an die Adresse des Klägers. Und: Mit den eingereichten Fotos könne der Kläger nicht beweisen, dass der Nachbar sein Eigentum verletzt habe. Schliesslich schlägt der Richter den Parteien vor, das Verfahren für zwei Monate zu sistieren, damit sie einen aussergerichtlichen Vergleich abschliessen können.
So weit kommt es aber nicht. Deshalb muss der Einzelrichter entscheiden. Er weist die Klage ab. Seine Begründung: Der Kläger habe nicht beweisen können, dass die Fahrzeuge des Nachbarn auf sein Grundstück ragen. Und selbst wenn das der Fall wäre, würde er dies nicht als übermässigen Eingriff ins Eigentumsrecht betrachten. Die Abweisung wird für den Kläger teuer: Er muss die Verfahrenskosten von 2300 Franken zahlen und dem Beklagten eine Anwaltsentschädigung von 3013 Franken überweisen.
Das gilt unter Nachbarn
Laut Gesetz darf ein Liegenschaftseigentümer nicht übermässig auf das Grundstück seines Nachbarn einwirken. Das Gesetz sagt aber nicht, wann eine übermässige Einwirkung vorliegt.
Für die Beurteilung einer Übermässigkeit ist nicht die Meinung des Nachbarn massgebend, es zählen objektive Gesichtspunkte. Dabei ist laut Bundesgericht auf das Empfinden eines durchschnittlichen Menschen abzustellen, der sich in derselben Situation wie der Nachbar befindet.
Ausserdem werden bei der Beurteilung die Art und Dauer der Immission, die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks sowie der Ortsgebrauch berücksichtigt. Gerichte stufen die Einwirkungen von Nachbarn selten als übermässig ein.