Sie haben jahrelang in verschiedenen Restaurants zusammengearbeitet und sind beste Freunde. Dann eröffnet einer der beiden eine eigene Pizzeria. Sein Kollege übernimmt die Stelle als leitender Kellner. Doch schon bald kommt es wegen der Entlöhnung zu Unstimmigkeiten – und zum offenen Streit.
Vor der Einzelrichterin am Bezirksgericht Hinwil ZH ist von der einstigen Freundschaft der beiden nichts mehr zu spüren. Der Beklagte habe ihn betrogen, sagt der ehemalige Kellner. Er fordert 23 640 Franken für ausstehende Löhne und Überstunden.
Der 50-Jährige legt der Richterin dar, wie sich diese Summe zusammensetzt. Er sei von November 2019 bis Dezember 2020 im Restaurant des Beklagten als «Chef de Service» angestellt gewesen. Für die ersten beiden Monate habe er jedoch keinen Lohn erhalten.» Dafür würden ihm 9360 Franken zustehen. «Damals arbeitete ich noch im Stundenlohn – in den beiden Monaten insgesamt 312 Stunden zu einem abgemachten Lohn von 30 Franken pro Stunde.» Ab Januar 2020 habe er dann im Monatslohn gearbeitet: «Gemäss Arbeitsvertrag sollte ich 42 Stunden pro Woche arbeiten und dafür jeden Monat 5800 Franken erhalten.»
Über 10 000 Franken für Überstunden gefordert
Er habe immer von Montag bis Freitag von 10 bis 14 Uhr und von 17 bis 22 Uhr sowie samstags von 17 bis 22 Uhr gearbeitet, fährt der Kläger fort. So hätten sich viele Überstunden angehäuft. «Insgesamt stehen mir dafür 10 080 Franken zu.» Um dies zu belegen, reicht er dem Gericht eine handschriftliche Aufstellung mit den angeblich geleisteten Überstunden ein.
Schliesslich macht er geltend, sein Anteil am 13. Monatslohn sei ihm nicht ausbezahlt worden. «Ich erhielt nur 5400 Franken pro Monat. Mein Vorgesetzter erklärte mir, ich würde die monatlichen 400 Franken für den 13. Monatslohn Ende Jahr erhalten – insgesamt rund 4200 Franken.» Doch dieses Versprechen sei nie eingehalten worden.
Sein ehemaliger Kollege lässt sich vor Gericht von einem Anwalt vertreten. Dieser beantragt, die Klage abzuweisen: «Im November und Dezember 2019 arbeitete der Kläger gar nicht für meinen Mandanten.» In dieser Zeitspanne habe lediglich einmal ein Probeabend stattgefunden – und der Kläger habe Arbeitslosengeld bezogen.
Überstundenrapporte wurden nachträglich erstellt
Zu den handschriftlichen Überstundenrapporten des Klägers hält der Anwalt fest: «Diese wurden vom Beklagten nicht unterschrieben.» Sie seien erst nachträglich erstellt worden. Die gemäss den Rapporten immer gleichen Arbeitszeiten würden nicht den Tatsachen entsprechen: «Gerade die Gastrobranche ist ja dafür bekannt, dass die Arbeitszeiten sehr unterschiedlich ausfallen.»
Zudem sei dem Kläger jeden Monat ein Anteil des 13. Monatslohns ausbezahlt worden, sagt der Anwalt des Beklagten. «Dies ergibt sich aus den Lohnabrechnungen, die mein Klient dem Kläger monatlich zukommen liess.»
Der Kellner bestreitet, je eine Lohnabrechnung erhalten zu haben. Und er bleibt dabei: Ein 13. Monatslohn sei nie ausbezahlt worden.
Die Einzelrichterin kommt zum Schluss, dass der Kellner beweisen müsse, «dass er im November und Dezember 2019 beim Beklagten angestellt war und effektiv Überstunden leistete». Dies dürfte ihm jedoch kaum gelingen, fügt die Richterin an: Dafür genüge die handschriftliche Aufstellung nicht. Ebenso wenig könne der ehemalige Angestellte damit die angeblichen Überstunden belegen.
Die Richterin rät dem Kellner daher, die Klage zurückzuziehen – was dieser schliesslich tut. Im Gegenzug verzichtet die Gegenpartei auf eine Prozessentschädigung. Gerichtskosten fallen in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten unter 30 000 Franken nicht an. Die beiden ehemaligen Freunde verlassen schliesslich den Gerichtsaal – ohne ein weiteres Wort miteinander zu wechseln.
Geschuldeter Lohn: Beweise rechtzeitig sichern
Fordert ein Angestellter vom Betrieb ausstehende Löhne, dann muss er seinen Anspruch beweisen können. Am einfachsten gelingt dies, wenn er den Arbeitsvertrag und eine von beiden Parteien unterzeichnete Arbeitszeiterfassung vorlegen kann. Angestellte können auch Zeugen benennen. Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Angestellten monatlich eine schriftliche Lohnabrechnung auszustellen. Behaupten Angestellte, den Lohn nicht erhalten zu haben, müssen die Betriebe belegen, dass sie die geschuldeten Beträge ausbezahlt haben. Das gilt für alle Lohnbestandteile, auch für den 13. Monatslohn.