Ein 30-jähriger Gipser aus dem Kanton Zürich arbeitete elf Jahre im gleichen Betrieb. Lange lief alles gut: «Das änderte sich jedoch im Juni 2022», sagt der Angestellte vor dem Bezirksgericht Dielsdorf ZH. «Mein Vorgesetzter gab mir den Auftrag, in einem älteren Haus in Erlenbach ZH eine Treppe mit einem Spachtel zu gipsen.» Beim Gips habe es sich um ein Produkt gehandelt, mit dem er nie zuvor gearbeitet habe, sagt der Kläger. «Ich habe meinen Vorgesetzten zwei Mal darüber informiert, dass man das Material mit dem Spachtel nicht richtig auftragen kann.» Doch der Chef habe ihn aufgefordert, weiterzuarbeiten.
Als er nach einigen arbeitsfreien Tagen wieder am Arbeitsort erschien, erfuhr er, dass der Betrieb den Gips an der Treppe ersetzt hatte. «Dabei wurde ein anderes Material verwendet. Der zunächst verwendete Gips wurde entsorgt.» Mit diesem sei es unmöglich gewesen, die Arbeiten an der Treppe korrekt und sauber auszuführen. Zudem hätte dieser mit der Maschine aufgetragen werden sollen, was ihm sein Vorgesetzter nicht mitgeteilt habe. Vor der Ausführung der Arbeit sei nie eine entsprechende Instruktion erfolgt.
Über 2100 Franken vom Monatslohn abgezogen
Sein Chef zog ihm schliesslich vom Monatslohn von rund 5900 Franken 2135 Franken ab. Diese Summe verlangt der Gipser nun vor Gericht von seinem Arbeitgeber zurück.
Der Anwalt des Betriebs entgegnet, der Kläger sei als Vorarbeiter jeweils mit einem Team von zwei bis drei Arbeitern selbständig auf Baustellen tätig gewesen. Vor der Ausführung der Arbeiten erfolge gemäss Anwalt immer eine Instruktion durch den Vorgesetzten: «Auch bei der Baustelle in Erlenbach erklärte der Chef, wie man den Gips verwenden muss.» Auf der betreffenden Baustelle sei tatsächlich ein neues Material verwendet worden, da es sich um ein historisches Gebäude gehandelt habe. Aber der Kläger habe seinen Vorgesetzten nie darüber informiert, dass die Arbeit nicht gut ausgeführt werden könne, so der Anwalt. Tatsache sei: Wie jeder Gips könne auch das verwendete Material von Hand oder mit der Maschine aufgetragen werden.
Nachdem der Kunde bei der Bauabnahme die Mängel entdeckt hatte, habe die Treppe repariert werden müssen, fährt der Anwalt fort. «Für die Nachbesserung waren zwei Tage und neues Material nötig. Deshalb ist für die Zusatzarbeiten und das zusätzliche Material eine Lohnkürzung von 2135 Franken gerechtfertigt.» Dazu komme, dass der Vorgesetzte die Sache mit dem Kläger besprochen habe, worauf sich dieser mit dem Lohnabzug einverstanden erklärt habe.
«Ich war tatsächlich der Verantwortliche auf der Baustelle», erklärt der Gipser dem Einzelrichter. Er habe aber mit seinem Vorgesetzen nie über den Lohnabzug gesprochen. «Und selbstverständlich bin ich damit nicht einverstanden, sonst ständen wir heute nicht vor Gericht.»
Chef kann Fehlverhalten des Angestellten nicht beweisen
Nach einer kurzen Pause erläutert der Einzelrichter seine rechtliche Beurteilung: Es sei unklar, ob der Betrieb den Gipser korrekt instruiert habe. Vor allem dürfte es für den Arbeitgeber sehr schwierig werden zu beweisen, dass der Kläger die schlechte Arbeit verursacht habe. Das sei jedoch eine Voraussetzung für einen Lohnabzug. Der Kläger habe die Arbeiten in Erlenbach nämlich nicht allein, sondern mit einem anderen Angestellten zusammen erledigt.
Die Parteien einigen sich darauf, dass der Betrieb dem Gipser die vom Lohn abgezogenen 2135 Franken nachzahlt und die eigenen Anwaltskosten übernimmt. Gerichtskosten fallen keine an.
Angestellte bei schlechter Qualität nicht haftbar
Angestellte können für mangelhaft ausgeführte Arbeiten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, sondern nur für absichtlich oder grobfahrlässig verursachte Schäden. Leichte Fahrlässigkeit fällt unter das Betriebsrisko. Dafür ist kein Lohnabzug zulässig. Bei mittlerer oder grober Fahrlässigkeit ist ein reduzierter Schadenersatz angemessen. Bei absichtlich verursachten Schäden muss der Angestellte den ganzen Betrag zahlen.