Eine Hundehalterin besuchte letzten Sommer ihre Mutter in Birmenstorf AG. Sie liess ihre Hündin Carla im Garten und ging rasch ins Haus zur Toilette. «Als ich wieder rauskam, war die Hündin weg, und auf dem Nachbargrundstück hörte ich ein Geschrei», berichtet die 58-Jährige vor dem Bezirksgericht Baden.
Der Nachbar habe geflucht: «Der Hund hat den Hasen totgebissen. Man sollte ihn erschiessen.» Er habe mit einem Fellbüschel in der Hand gewedelt und sich nicht mehr beruhigen lassen. Es stellte sich heraus: Das Kaninchen war nicht tot. Der Hund hatte ihm aber den Schwanz abgebissen.
Die Staatsanwältin in Baden bestrafte die Hundehalterin wegen fahrlässiger Tierquälerei zu einer bedingten Geldstrafe von 4500 Franken, zu einer Busse von 900 Franken und zur Übernahme der Verfahrenskosten von insgesamt 903 Franken. Sie habe es versäumt, den Hund so zu beaufsichtigen, dass er keinem anderen Tier Schaden zufügt.
Seit der Kindheit vertraut mit Hunden
Die Hundehalterin erhob Einsprache gegen den Strafbefehl. Deshalb liegt der Fall nun vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Baden. Dieser befragt die Beschuldigte nach ihren Erfahrungen mit Hunden. «Seit dem Alter von acht Jahren lebe ich mit Hunden zusammen», erklärt sie. Sie habe schon mehrere Hunde gehabt. Alle seien aus dem Tierheim gekommen.
Carla sei ein achtjähriger Mischling mit Einflüssen der Podengo-Rasse. Das sind mittelgrosse portugiesische Jagdhunde, die speziell für die Kaninchenjagd gezüchtet wurden. Es sei bisher aber noch nie zu einem solchen Vorfall gekommen mit den Hunden.
Der Richter will wissen, was die Beschuldigte zum Vorwurf der Staatsanwaltschaft sagt. Sie erklärt: «Meine Mutter hat um den ganzen Garten einen Zaun verlegen lassen.» Das Tor sei verschlossen gewesen. Sie zeigt dem Richter ein Foto eines 1,5 Meter hohen Maschendrahtzauns.
«Ich kann mir nicht erklären, wie die Hündin entweichen konnte.» Ich weiss nicht, was ich hätte anders machen sollen. Auch das Veterinäramt habe auf eine Massnahme verzichtet, weil die Hündin noch nie negativ aufgefallen sei. Sie habe sich beim Besitzer des Kaninchens entschuldigt, nachdem sich alle beruhigt hatten, fügt die Hundehalterin an: «Ich bezahlte die beiden Rechnungen des Tierarzts für die Operationen – insgesamt 900 Franken.» Für den Nachbarn sei die Sache somit erledigt. Dem Kaninchen gehe es wieder gut.
Die Frau kritisiert die Staatsanwältin. Diese habe ihr vorgeworfen, die Würde des Tiers verletzt zu haben. Dies sei aber nicht korrekt. Sie sei Mitglied von Tierschutzorganisationen und unterstütze diese finanziell, obwohl sie mit ihrem Einkommen von 4500 Franken nicht reich sei. «Ich bin das Gegenteil einer Tierquälerin.»
Kein Eintrag ins Strafregister und keine Geldstrafe
Der Richter berät sich zwanzig Minuten lang mit der Gerichtsschreiberin. Dann eröffnet er das Urteil. Er spricht die Hundehalterin vom Vorwurf der Tierquälerei gemäss Tierschutzgesetz frei. Deshalb fallen der Strafregistereintrag und die Geldstrafe weg. Er erklärt: «Das Gericht kann auch eine andere Strafbestimmung anwenden als jene, die die Staatsanwaltschaft fordert.» Das Kaninchen habe sicherlich Schmerzen erlitten. Allerdings habe die Beschuldigte das Tier weder absichtlich noch fahrlässig gequält.
Allerdings verurteilt der Richter die Frau wegen Widerhandlung gegen das Aargauer Hundegesetz. Dieses schreibe vor, dass Halter ihr Tier jederzeit unter Kontrolle haben müssen. Und man müsse einen Hund so halten, dass er keine anderen Personen oder Tiere gefährde. Dies habe sie unterlassen. Die Widerhandlung gegen das Hundegesetz sei ein leichteres Delikt als Tierquälerei und werde nur mit einer Busse sanktioniert.
Der Bezirksrichter verzichtet auf eine Strafe, da die Beschuldigte alle Arztrechnungen bezahlt habe. Die Frau muss aber die Hälfte der Verfahrenskosten übernehmen – das sind rund 850 Franken.
Haftpflichtversicherung auch für Tierhalter wichtig
Tierbesitzer müssen nicht nur mit einem Strafverfahren rechnen, wenn sie ihr Tier nicht genügend beaufsichtigen. Sie schulden Geschädigten auch Schadenersatz. Eine Haftpflichtversicherung kann sich daher lohnen. In den meisten Kantonen ist diese für Hundehalter auch vorgeschrieben.
Meistens reicht eine Privathaftpflichtversicherung. Man sollte aber im Vertrag kontrollieren, ob man auch als Tierhalter versichert ist – oder ob dafür eine Zusatzversicherung nötig ist.