Eine Gefälligkeit kann komplizierte Folgen haben. Diese Erfahrung machten zwei Männer, die mit einem Anhänger von Deutschland nach Spanien fahren wollten. Dort kamen sie nie an. Sie landeten stattdessen im Streit vor dem Kantonsgericht Schaffhausen.
Der Kläger wollte von Deutschland auf die kanarischen Inseln auswandern, wie sein Anwalt der Einzelrichterin darlegt. Er habe den Beklagten um Hilfe beim Umzug gebeten. Dieser ist von Beruf Chauffeur. Laut Anwalt waren die beiden befreundet. Der Beklagte willigte ein, und so ging es im November 2016 mit dem Fahrzeug des Klägers und einem beladenen Anhänger Richtung Süden.
Doch in Frankreich war Endstation: Es kam zum Selbstunfall. Der Anhänger kam ins Schleudern und riss sich los. Das Fahrzeug, der Anhänger und dessen Inhalt wurden massiv beschädigt. Verletzt wurde niemand. Der Kläger wirft dem Chauffeur vor, den Unfall durch seine Fahrweise verursacht zu haben. Er sei mit übersetzter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Er verlangt nun von seinem ehemaligen Freund Schadenersatz in der Höhe von 30'000 Franken zuzüglich 5 Prozent Zins seit Unfalldatum.
Fahrlässiger Unfall oder nur ein «dummer Zufall»?
Der Unfallrapport der französischen Polizei liess einige Jahre auf sich warten. Der internationale Bezug macht den Fall für das zuständige Gericht zusätzlich kompliziert: Der Kläger wohnt in Deutschland, der Beklagte in Merishausen SH, das Fahrzeug war in Deutschland zugelassen – und der Unfall ereignete sich in Frankreich. Das sogenannte «Lugano-Übereinkommen» regelt die Zuständigkeit in solchen Streitfällen. Es sieht vor, dass das Gericht am Wohnsitz der beklagten Partei zuständig ist. Anwenden musste das Kantonsgericht Schaffhausen aber deutsches Recht.
Auch diesem zufolge muss der Kläger beweisen, dass ein Fehlverhalten des Fahrers zum Unfall führte. An der Gerichtsverhandlung erwähnt der Anwalt des Klägers den Rapport der französischen Polizei: Aus diesem gehe klar hervor, dass der beklagte Berufschauffeur zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren sei.
Der Kläger habe schon zuvor den Eindruck gehabt, dass sich der Anhänger «nicht ruhig» verhalte, weshalb er dem Fahrer seine Bedenken mitgeteilt habe. Die beiden Männer hätten deshalb auch einen Stopp eingelegt, um einige Gegenstände vom Anhänger ins Fahrzeug umzuladen. «Der Anhänger war danach stabiler, aber sein Bekannter wollte unbedingt schnell fahren», behauptet der Anwalt des Klägers.
Der Anwalt des Fahrers bestreitet diese Version: «Es handelte sich beim Unfall um ein Unglück, um einen dummen Zufall.»
Die Einzelrichterin spricht bei ihrer ersten Einschätzung von einem «erheblichen Prozessrisiko» für den Kläger. Sie hält es für wahrscheinlich, dass ihm der Nachweis des Verschuldens nicht gelingen könnte: «Ich kann dem Kläger nur einen Rückzug der Klage ans Herz legen», empfiehlt sie. Der Kläger geht darauf nicht ein.
Richterin weist Klage gegen Chauffeur ab
Ein halbes Jahr nach der Verhandlung fällt die Einzelrichterin das Urteil: Sie weist die Klage ab. Dies vor allem, weil der Kläger seine Forderung in Euros statt in Franken geltend machte. Auch sei nicht bewiesen worden, dass der Beklagte mit übersetzter Geschwindigkeit gefahren sei. Die französische Polizei sei nicht von einem Fehlverhalten ausgegangen. Deshalb habe sie kein Strafverfahren eröffnet.
Zudem sei unklar, weshalb der Kläger den Beklagten 650 Kilometer lang habe fahren lassen, obwohl er sich an dessen Fahrweise gestört habe. Der Kläger muss auch die Gerichtskosten von 2450 Franken tragen und dem Beklagten eine Entschädigung in der Höhe von 2300 Franken zahlen.
Gefälligkeit: Haftung nur bei grobem Verschulden
Eine Gefälligkeit erfolgt im Unterschied zu einer vertraglichen Abmachung unentgeltlich und uneigennützig. Ob eine Gefälligkeit vorliegt, entscheidet sich je nach Fall. Typische Gefälligkeiten sind etwa das Giessen der Blumen des Nachbarn oder Hilfe beim Umzug eines Kollegen. Bei Gefälligkeitshandlungen sind die Anforderungen an die Sorgfalt nicht so hoch wie bei einem Vertrag. Es reicht, wenn der Helfer so sorgfältig handelt, wie man es bei eigenem Handeln erwarten kann. Auch muss derjenige, der von einer Gefälligkeitshandlung profitiert, ein Verschulden beweisen, damit der andere haftet.