Die Parteien treffen sich an einem regnerischen Tag am Bezirksgericht Meilen ZH. Beim Mieter handelt es sich um einen 68-jährigen Rentner, begleitet von einem Anwalt. Dieser beantragt die Aufhebung der Kündigung, sie sei «missbräuchlich». Sein Klient lebt von einer bescheidenen Altersrente. Daher hat ihm das Gericht die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Das heisst, er muss keine Gerichts- und Anwaltskosten zahlen.
Vor fünf Jahren eine Mietzinssenkung durchgesetzt
Der Mieter zog 2004 in die Zweizimmerwohnung ein. Inzwischen wurde das Haus verkauft. Laut dem Anwalt verlangte der Mann beim heutigen Eigentümer vor fünf Jahren eine Mietzinssenkung. An der Schlichtungsverhandlung habe man sich darauf geeinigt, den monatlichen Betrag von 1722 auf 1537 Franken zu reduzieren. «Der Beklagte sinnt seither auf Rache», plädiert er vor dem dreiköpfigen Gericht.
Aufgrund des früheren Verfahrens war der Mieter gemäss Gesetz drei Jahre vor einer Kündigung geschützt. Der Anwalt sagt, der Vermieter habe aber versucht, dem Mieter einen Mietaufschlag schmackhaft zu machen: «Er versprach, bei einem höheren Mietzins könne der Rentner in der Wohnung bleiben.»
Doch der Vermieter habe keinen neuen Vertrag geschickt. Stattdessen bekam der Mieter ein paar Monate nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist die Kündigung. Begründung: Die Küche und das Bad müssten ersetzt werden.
«Das ist doch vorgeschoben», kommentiert der Anwalt. Das Verhalten des Vermieters sei treuwidrig. Zudem sei das Umbauprojekt nicht hinreichend geplant. «Das ist ein klassischer Fall einer unzulässigen Kündigung auf Vorrat.»
Zudem sei es dem Rentner nicht zumutbar, eine neue Wohnung zu finden, argumentiert der Anwalt. Er sei in Herrliberg verwurzelt. Mit seiner Rente von 3200 Franken könne er höchstens 1700 Franken Miete zahlen. Trotz intensiver Suche habe der Mann aber keine andere Wohnung gefunden.
«Ganz normale Sanierung und teurere Neuvermietung»
Der Anwalt des Vermieters fordert die Abweisung der Klage. Es liege keine Rachekündigung vor: «Die Sanierung ist seit langem geplant.» Die Liegenschaft mit der Wohnung des Klägers sei ein altehrwürdiges Bijou. «Es war der Traum meines Klienten, das Haus zu erwerben und zu modernisieren.» Die Wohnung des Klägers sei uralt, mit einem Linolboden, der sich abschäle. «Der Kläger selber hat wegen des Bodens reklamiert.»
Die Wohnung des Klägers sei die einzige, die noch nicht renoviert sei. Eine Kündigung auf Vorrat liege nicht vor. Der Vermieter besitze 17 Liegenschaften mit Hunderten von Wohnungen. «Eine Sanierung ist etwas ganz Normales.» Es brauche keinen Plan und keinen Architekten, um eine Küche und ein Bad zu renovieren. Es sei erlaubt, einem Mieter zu kündigen, um nach der Sanierung einen höheren Ertrag zu erzielen. Die Wohnung liege an bester Lage an der Zürcher Goldküste: «Dort wäre eine Miete von 2700 bis 3000 Franken erzielbar.»
Der Anwalt ergänzt: «Der Kläger muss nicht unbedingt in der Gemeinde Herrliberg wohnen.» Er finde eine Wohnung für sein Budget, wenn er im ganzen Kanton Zürich suche.
Die vorsitzende Richterin ordnet zuerst eine Pause an. Dann hält sie fest: «Es ist ein schwieriger Fall. Wir sind uns uneinig, wie wir entscheiden würden.» Daher mache sie einen Vergleichsvorschlag: Die Wohnung sei offenbar sanierungsbedürftig. Allerdings lägen auch Elemente einer missbräuchlichen Kündigung vor.
Das Gericht schlägt vor, die Kündigung als gültig zu behandeln, den Mietvertrag aber um vier Jahre zu erstrecken und die Miete an die Teuerung anzupassen, von 1537 auf 1645 Franken pro Monat. Die Parteien einigen sich auf diese Lösung. Die Gerichtskosten von 2400 Franken werden geteilt.
Fälle von missbräuchlichen Mietkündigungen
Das Gesetz zählt mehrere Fälle von missbräuchlichen Kündigungen durch den Vermieter auf:
- Während und nach einem Verfahren: Ab dem Schlichtungsgesuch ist eine Kündigung unzulässig, ebenso drei Jahre nach Abschluss eines Prozesses, wenn die Anträge des Mieters zumindest teilweise gutgeheissen wurden.
- Kündigung auf Vorrat: Der Vermieter will die Wohnung sanieren, hat im Zeitpunkt der Kündigung aber noch keine konkreten Pläne.
- Rachekündigung: Der Vermieter kündigt, weil der Mieter seine Rechte geltend macht.