Die spanischsprachige Klägerin wartet zusammen mit einem Dolmetscher vor dem Gerichtssaal des Arbeitsgerichts Zürich auf den Verhandlungsbeginn. Die Frau arbeitete seit November 2022 als Kosmetikerin in einem Zürcher Schönheitssalon. Letzten Oktober schloss der Betrieb und kündigte der Angestellten. Die letzten Löhne wurden nicht mehr ausbezahlt. Die Kosmetikerin fordert von der Arbeitgeberin 16'441 Franken.
Das entspricht dem unbezahlten Lohn für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses plus ausstehenden Ferien- und Überstundenentschädigungen. Am Arbeitsgericht fehlt an diesem Tag jede Spur der ehemaligen Chefin. Im Gerichtssaal klärt sich rasch, warum sie nicht erschienen ist: Laut der Einzelrichterin eröffnete das Bezirksgericht zwei Wochen zuvor den Konkurs über die GmbH. Das bedeutet: Der Prozess wird wegen des Konkurses sistiert.
Die Kosmetikerin fordert aber auch noch ein abgeändertes Arbeitszeugnis, Bestätigungen für ihre Schulungen und die Entfernung ihrer Bilder von der Internetseite des Schönheitsstudios. Zu diesen nichtfinanziellen Forderungen führt die Richterin die Verhandlung durch. Die Kosmetikerin macht geltend, dass sie sich bei mehreren Firmen für die Bedienung verschiedener Geräte schulen liess und dafür jeweils Schulungszertifikate erhalten habe. Die Chefin habe diese aber nicht an sie weitergeleitet.
Deshalb fordere sie die Zertifikate nun auf gerichtlichem Weg. Neben der Löschung ihrer Bilder auf der Internetseite des Studios verlangt die Klägerin ein Arbeitszeugnis, aus dem hervorgeht, dass sie nicht nur als Kosmetikerin, sondern auch als stellvertretende Leiterin gearbeitet und Mitarbeiter ausgebildet habe. Sie legt dem Gericht einen Entwurf für das Zeugnis vor und erklärt: «Ich habe alles gemacht, was sonst eine Geschäftsleiterin tut.» So habe sie Waren bestellt, Bestellungen entgegengenommen, die Agenda geführt und Mitarbeiter eingeteilt.
«Und ich habe vier bis fünf Angestellte angelernt. Ich brachte ihnen alles bei.» Die Chefin sei häufig abwesend gewesen. Die Kosmetikerin will zudem, dass die Chefin im Zeugnistext schreibt, sie als «äusserst zuverlässige und motivierte Mitarbeiterin kennengelernt» zu haben. Die Chefin habe das immer wieder so gesagt, betont die Klägerin.
Gericht kann unvollständige oder falsche Zeugnisse anpassen
Die Richterin fragt nach, ob das Zeugnis auch auf «sehr zuverlässig» lauten könne. Die Klägerin ist damit einverstanden. Gleichzeitig betont die Richterin aber auch: «Das Verfassen des Arbeitszeugnisses obliegt dem Arbeitgeber.» Stilistische Korrekturen mache das Gericht nicht, es passe nur falsche oder unvollständige Zeugnisse an.
Weiter erklärt sie: «Sie haben eine Zeugnisänderung beantragt, die eine ganze Umstellung des Arbeitszeugnisses vorsieht.» Das Gericht werde nicht den ganzen Zeugnisentwurf übernehmen, sondern Anpassungen anordnen. Zum Schluss der Verhandlung fragt die Kosmetikerin: «Und wie komme ich zu meinem Geld?» – «Gar nicht», antwortet die Richterin, unter Hinweis auf die Konkurseröffnung. «Sie können Ihre Forderung beim Konkursamt einreichen.» Damit schliesst sie die Verhandlung.
Das Urteil folgt schriftlich: Das Gericht verpflichtet die Firma, der Klägerin die Ausbildungszertifikate und ein neues Zeugnis zuzustellen. Die wesentlichen Textanpassungen der Klägerin werden übernommen: Neu heisst es darin, die Angestellte habe die stellvertretende Leitung übernommen und sehr zuverlässig, speditiv und einwandfrei gearbeitet. Die Chefin muss auch die Abbildungen der Klägerin von der Internetseite entfernen. Gerichtskosten entstehen keine, da Arbeitsgerichtsprozesse bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken kostenlos sind.
Dieser Lohn ist bei Firmenkonkursen versichert
Fällt ein Arbeitgeber in Konkurs, können Angestellte beim Konkursamt ihre Lohnforderungen einreichen. Das Konkursamt behandelt Löhne gegenüber fast allen anderen Forderungen bevorzugt: Zuerst werden die Angestellten bezahlt, erst dann der überwiegende Rest der Gläubiger. Reicht das Geld des Betriebs nicht einmal für die Löhne, haben Angestellte Anspruch auf eine Insolvenzentschädigung. Diese deckt die letzten vier Monatslöhne vor dem Konkurs.
Angestellte müssen die Entschädigung innert 60 Tagen seit Konkurseröffnung anmelden. Und bereits vorher müssen sie Lohnausstände regelmässig einfordern. Sonst verlieren sie den Anspruch darauf.