Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. So sehen es Zivil- und Strafprozessordnung, Bundesverfassung, kantonale Erlasse und gar die europäische Menschenrechtskonvention vor. Ausnahmen gibt es wenige: Familienrechtliche Verhandlungen sind nie öffentlich. Bei Sexualdelikten wird das Publikum oft zum Schutz der Opfer ausgeschlossen.
Die Öffentlichkeit dient der Sicherung von fairen Verfahren und der Kontrolle der Justiz. Die Bürger sollen zudem erfahren, wie die Gesetze ausgelegt werden, an die sie sich zu halten haben. Doch Gerichte informieren ungern, wimmeln Journalisten ab oder geben gar Falschauskünfte.
Verhandlungen kann jede Person ohne Anmeldung besuchen – auch Journalisten. Doch die Berichterstatter sind auf das Entgegenkommen der Gerichte angewiesen – zum Beispiel benötigen sie Informationen über den Zeitpunkt oder das Thema von Prozessen. Dazu müssen sie sich akkreditieren. Dies gleicht in einigen Kantonen aber einem regelrechten Marathon.
200 Franken, um zu erfahren, ob man «zutrauenswürdig» ist
Beispiel Kanton Zürich: Hier müssen Journalisten einen kostenpflichtigen Auszug aus dem Strafregister und ein Handlungsfähigkeitszeugnis je im Original sowie eine Bestätigung des Arbeitgebers einreichen. Entschieden wird mit einer Verfügung. Für die Verfahrenskosten werden dem Journalisten 200 Franken aufgebürdet. Er erhält die Zulassung, wenn er als «zutrauenswürdig» erscheint. Was das genau bedeutet und ob ein Eintrag im Strafregister einer Akkreditierung entgegensteht, bleibt unklar. Dass es auch anders geht, zeigen die Kantone AG, SZ, UR und NW. Hier braucht es keine offizielle Akkreditierung.
Kaum Auskunft über den Inhalt anstehender Gerichtsverhandlungen
Ein weiteres Problem: Wie erfährt ein Journalist, wann und wo eine Verhandlung stattfindet? Auch das ist sehr unterschiedlich: In den Kantonen AG, BS, BL und ZG werden Termine der Zivilverhandlungen nur auf Anfrage bekannt gegeben. Die übrigen Kantone künden auf dem Internet mit nichtssagenden Stichworten wie «Forderung» an, worum es sich handelt. Journalisten müssen raten, ob eine Verhandlung für die Leser von Interesse sein könnte. Viele Gerichtsmitarbeiter weigern sich rundweg, auch nur das Rechtsgebiet bekannt zu geben. Laut Franz Zeller, Lehrbeauftragter für Medienrecht an verschiedenen Universitäten, widerspricht das dem Öffentlichkeitsprinzip, das eine wirksame Kontrolle über die Tätigkeit der Justiz ermöglichen sollte.
Auch die Publikation oder Herausgabe von Urteilen ist keine Selbstverständlichkeit: Laut Bundesgericht besteht kein Anspruch auf Zustellung einer Urteilskopie. In Nidwalden oder Graubünden erhalten Journalisten jedoch problemlos eine Kopie des Urteils. In anderen Kantonen müssen sie die Urteile vor Ort lesen und sich handschriftliche Notizen machen – Fotografieren oder Kopieren ist verboten! Der Sinn dieser Bestimmungen ist schleierhaft.
Problematisch auch: Die Urteile werden nur während einer bestimmten Zeit aufgelegt. In Solothurn und Obwalden sind es 30 Tage, in Zug bloss 3.
Andere Gerichte stellen die Urteile Journalisten zwar zu, aber nur anonymisiert. Zweck der Anonymisierung ist der Persönlichkeitsschutz der Parteien. An der Verhandlung treten die Parteien jedoch nicht anonym auf.
Schikanöse Behandlung von Journalisten
Manchmal führt pure Unwissenheit zu Komplikationen: Ein Gerichtsschreiber des Bezirksgerichts Winterthur behauptete kürzlich, dass nur akkreditierte Berichterstatter über öffentliche Verhandlungen berichten dürften. Als die Journalistin beim Obergericht Zürich nachfragte, krebste er zurück und sprach von einem Missverständnis.
Manchmal grenzt das Verhalten an Schikane: So musste ein Journalist im Januar 2014 ein Urteil des Kantonsgerichts Zug am Empfang stehend abschreiben.
Bei einigen Gerichten müssen Journalisten richtiggehend um die Information betteln, ob ein Urteil rechtskräftig ist. Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich, hält dazu fest: «Auf Nachfrage sind Dritte unseres Erachtens in der Regel über die Rechtskraft eines Urteils zu informieren.» Trotzdem verweigerte das Arbeitsgericht Zürich die Auskunft über die Rechtskraft eines Urteils – obwohl es im eigenen Jahresbericht publiziert war.
Fazit: Die Regeln für die Justizöffentlichkeit müssten in den Kantonen dringend vereinheitlicht werden – im Interesse der Öffentlichkeit.