Für die Hersteller von Milchprodukten, Fleisch oder Eiern ist der kommende 1. Juli ein Jubeltag: Nach jahrelangem Lobbyieren dürfen sie ihre Produkte in den Läden mit der Bezeichnung «Ohne GVO» verkaufen. GVO steht für gentechnisch veränderte Organismen. Die Hersteller müssen auf die Verpackung zusätzlich den Satz drucken: «Für die Fütterung der Tiere wurden keine gentechnisch veränderten Futterpflanzen oder daraus gewonnene Erzeugnisse eingesetzt.»
Reto Burkhardt von den Schweizer Milchproduzenten bezeichnet ein neues GVO-Gütezeichen als «sehr interessante Möglichkeit, Konsumenten zu vermitteln, dass in Schweizer Milchprodukten keine GVO drin sind». Gemäss dem Bauernverband wissen nur wenige Konsumenten, dass viele importierte Milch- oder Fleischprodukte von Tieren stammen, die GVO- Futter zu fressen bekamen.
Die Bauern drängen seit langem auf die GVO-Kennzeichnung. Laurent Favre, FDP-Nationalrat und Präsident des Weinbauernverbands, verlangte bereits 2009 vom Bundesrat, die rechtlichen Grundlagen für ein «Ohne-Gentechnik»-Etikett zu schaffen.
Der Bundesrat winkte damals ab. Auf Druck der Bauern versuchte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit im Jahr 2014 noch einmal, ein GVO-Label einzuführen, das den Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel vorsah. Die Mehrheit der Kantone wehrte sich erfolgreich dagegen. Das Bundesamt zog den Vorschlag zurück. Ein Jahr später lancierte der Freiburger Jacques Bourgeois (FDP), damals Direktor des Bauernverbands, das gleiche Anliegen erneut im Nationalrat – jetzt mit Erfolg.
Nachweis im Labor nicht möglich
Doch auch das jetzt in Umlauf kommende Label bleibt umstritten. Der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner sagt: «Selbst wenn die Henne Gen-Soja gegessen hat, findet man bei der Analyse im Ei nichts davon.» Kontrolleure müssten sich daher auf Dokumente der Produzenten und Tierhalter stützen.
Noch schwieriger ist das Beweisproblem bei zusammengesetzten Lebensmitteln. Darauf hat der Kanton Schwyz bereits 2014 hingewiesen: Es sei «schlicht undenkbar», dass Schweizer Behörden bei einer italienischen Salami überprüfen könnten, ob die Tiere am Anfang der Produktion wirklich kein gentechnisch verändertes Soja oder Mais gefressen hatten.
Die Stiftung für Konsumentenschutz weist darauf hin, dass Zusätze wie Vitamine, Aminosäuren oder Enzyme in Futtermitteln in der Regel mit Gentechnik produziert werden. Das berücksichtige das neue Label nicht. Laut Gabriele Pichlhofer von der Organisation Biorespect setzen auch Molkereien oder Käse-Hersteller Fermente und Enzyme ein, die mit gentechnischen Methoden hergestellt wurden: «Die Kennzeichnung ‹gentechfrei› für solche Produkte ist schlicht falsch.»
Coop und Lidl erwägen, das neue Label einzusetzen. Die Migros ist skeptisch. Sprecher Patrick Stöpper sagt: Da bei der Herstellung der Produkte etwa durch den Einsatz von Futtermittelzusätzen oft Gentechnik mit im Spiel sei, «halten wir eine ‹Gentechnik-frei›-Deklaration für eine mögliche Täuschung».