Gentech im Hühnerfutter
Schweizer mögen keine Gentechnik auf dem Teller. Trotzdem müssen sie Poulets, Eier und Teigwaren essen, die mit Gentech-Futtermitteln produziert werden.
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saldo 14/2003
10.09.2003
Mike Weibel
Nie war in der Schweiz die Ablehnung gegenüber Gentech-Nahrung so stark wie heute. Bloss jeder Fünfte würde gentechnisch veränderte Lebensmittel konsumieren, schreibt das GFS-Forschungsinstitut in seinem jüngsten Monitor. 84 Prozent der Befragten finden eine Deklaration zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf Lebensmitteln wichtig.
Gleichzeitig misstraut ein grosser Teil der Bevölkerung den Deklarationen. 75 Prozent befürchten laut Gentech-Monitor Missbräuche bei...
Nie war in der Schweiz die Ablehnung gegenüber Gentech-Nahrung so stark wie heute. Bloss jeder Fünfte würde gentechnisch veränderte Lebensmittel konsumieren, schreibt das GFS-Forschungsinstitut in seinem jüngsten Monitor. 84 Prozent der Befragten finden eine Deklaration zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf Lebensmitteln wichtig.
Gleichzeitig misstraut ein grosser Teil der Bevölkerung den Deklarationen. 75 Prozent befürchten laut Gentech-Monitor Missbräuche bei den Angaben. Damit liegen die Konsumenten gar nicht so falsch. Denn die GVO-freie Schweizer Lebensmittellandschaft ist nicht Realität.
Die Schweiz importiert in grossem Stil Pouletfleisch und Eier aus aller Welt - allein im letzten Jahr rund 50 000 Tonnen Poulet und 232 Millionen Eier. Das Futter für die Mastpoulets und Legehennen stammt zum Teil aus GVO-Soja und GVO-Mais.
«Wir können unseren Lieferanten bezüglich GVO keine Vorschriften machen, das wäre nicht durchzusetzen», sagt Remo Hansen, Geschäftsführer des Schweizer Poulet-Importeurs Fredag in Root LU. Ähnlich die Situation bei der Bischofberger AG in Zürich, nach eigenen Angaben drittgrösster Pouletfleisch-Importeur: «Wir erhalten zwar amtlich bestätigte Fütterungspläne, aber die sind manchmal auf Thailändisch geschrieben», so der Qualitätsverantwortliche Hanspeter Zahn.
Keine Garantie für gentechfreies Mischfutter
Auch die Lieferanten aus dem EU-Raum sprechen nicht dieselbe Sprache wie die Schweizer, wenns um Gentech geht. Während hier jeder messbare Anteil von GVO-Pflanzen über 3 Prozent als GVO-Futter gilt, ist in den EU-Ländern die Tiernahrung nur dann deklarationspflichtig, wenn sie manipulierte lebensfähige Pflanzenteile wie ganze Maiskörner oder Sojabohnen enthält. Deshalb muss Sojaschrot, wichtigster Eiweisslieferant in der Geflügelmast, in der EU überhaupt nicht deklariert werden.
Die beiden grössten Importeure von Pouletprodukten Migros und Coop behaupten, dass bei ihren ausländischen Lieferanten kein GVO-Futtermittel im Spiel sei - auch nicht bei fixfertig eingekauften Produkten. Dies sei vertraglich abgemacht und werde vor Ort kontrolliert.
Doch Ruedi Marti, Futtermittelexperte des Branchenverbands, hat Zweifel: «Es gibt in der EU gar keinen Markt für gentechfreies Sojaschrot.» Und für den deutschen Verband Tiernahrung ist «eine Garantie für Gentechnikfreiheit beim Mischfutter nicht möglich».
Vergleichbar ist die Situation bei den Eiern: Die Firma Lüchinger & Schmid in Kloten ZH verarbeitet über 100 Millionen Eier pro Jahr, mehr als die Hälfte aus Importen. Geschäftsführer Rudolf Schmid meint pragmatisch: «GVO im Futtermittel ist bei uns kein Thema, weil das Ei sowieso GVO-frei ist - egal, was die Hühner fressen.»
GVO-Fütterung ist in der Schweiz nicht deklarationspflichtig
Nur: Die Schweizer Konsumenten lehnen laut GFS-Erhebung nicht nur Gentech-Lebensmittel ab, sondern zu zwei Dritteln auch die Gentechnik in der Landwirtschaft. Dass für Schweizer Eierteigwaren GVO-Soja und -Mais an Legehennen verfüttert wird, ist deshalb nicht in ihrem Sinn.
Die GVO-Fütterung ist in der Schweiz nicht deklarationspflichtig. Das ist fragwürdig. Im Pouletfleisch lassen sich nämlich Gen-Bruchstücke der Futterpflanzen nachweisen, wie der Biologe Gerhardt Jahreis von der deutschen Universität Jena herausgefunden hat: «Wir halten es für möglich, dass sich die Antibiotika-Resistenz der Futterpflanze im menschlichen Darm auf Krankheitskeime überträgt.»
USA gegen bessere Deklaration
Die USA sind mit Abstand der grösste Produzent von GVO-Ackerfrüchten. Dort fallen auch die Profite an: 91 Prozent des weltweiten Gentech-Ackerbaus kontrolliert der US-Konzern Monsanto. In den USA werden GVO-haltige Lebensmittel nicht de-klariert.
Die EU beschloss im Juli, die Deklarationspflicht stark auszuweiten. Die USA versuchen nun, dies zu verhindern - mit einer Klage vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO. Der GVO-Expansionsdrang der US-Amerikaner hat aber eine Gegenbewegung ausgelöst: Am 11. September tritt das Cartagena Protocol on Biosafety in Kraft, das den 57 Mitgliedsländern das Recht gibt, GVO vorsorglich zu verbieten. Die Schweiz wendet das Abkommen bereits an.