Rund 30 Schweizer Spitäler führten im Jahr 2016 weniger als zehn Bauchspeicheldrüsen-Operationen durch. Das sagen Statistiken des Bundesamts für Gesundheit. Solche Gelegenheitseingriffe gefährden die Gesundheit der Patienten. Denn bei heiklen Krebseingriffen haben Operierte in Spitälern mit kleinen Fallzahlen ein höheres Todesfall- oder Komplikationsrisiko als in Kliniken mit viel Routine. Das zeigt eine Auswertung von rund 18 000 Hochrisikoeingriffen (saldo 17/2017).
Der Kanton Zürich schreibt seinen Spitälern als erster Kanton seit 2012 «Mindestfallzahlen» vor. Das soll Fehler reduzieren. Ab diesem Jahr gelten diese auch für operierende Ärzte im Kanton. Zum Beispiel müssen sie pro Jahr mindestens 30 Eingriffe an Patienten mit Brustkrebs durchführen, bei Hüftgelenkpatienten sind es 50 Operationen. Der Kanton Basel-Stadt verlangt seit 2018 probeweise Mindestfallzahlen für Ärzte. Andere Kantone wie Wallis, Thurgau und Basel-Landschaft prüfen die Einführung.
Routine führt zu reibungslosen Abläufen und verhindert Fehler
Gelegenheitsoperationen kommen die Prämien- und Steuerzahler teuer zu stehen. Das sagt die Einkaufsgemeinschaft HSK, die für Helsana, Sanitas und KPT unter anderem mit Spitälern Tarife aushandelt. HSK-Geschäftsführerin Eliane Kreuzer sagt: «Je deutlicher eine Klinik die Mindestfallzahlen bei den Eingriffen verfehlt, desto höher sind die Kosten pro Fall.» Grund: Routine sorgt für reibungslose Abläufe und verhindert Fehler. Die HSK belegt das mit zwei Beispielen:
Hüftprothesen: 13 regionale Spitäler setzten 2017 weniger als 50 neue Hüftgelenke ein. Die teuersten Spitäler hatten laut saldo-Recherchen sehr wenig Routine: Das Hôpital du Pays-d’Enhaut VD erledigte 10 Operationen für je 15 236 Franken, das Réseau Santé Balcon du Jura VD führte 17 Eingriffe für je 13 770 Franken durch. Zum Vergleich: Die Berner Lindenhof-Kliniken hatten bei 920 Eingriffen Fallkosten von 9700 Franken.
Gynäkologische Tumoren: Von 27 regionalen Spitälern, die 2017 weniger als 20 gynäkologische Tumoren operierten, hatten 16 höhere Fallkosten als der Durchschnitt. Am schlechtesten schnitten wiederum drei Spitäler mit wenig Routine ab: Das Hôpital intercantonal de la Broye VD hatte bei sechs Eingriffen Fallkosten von 11 575 Franken. Bei je zwei Eingriffen kamen die Pallas Kliniken in Solothurn auf Fallkosten von 11 593 Franken und das Spital Oberengadin auf Kosten von 11 653 Franken. Zum Vergleich: Das Ente Ospedaliero Cantonale in Locarno TI hat bei 71 Operationen Kosten pro Fall von 9592 Franken – 2000 Franken weniger.
Eliane Kreuzer plädiert dafür, dass nur erfahrene Spitäler und Chirurgen gewisse Operationen durchführen sollten. Denn: Wenn alle Spitäler die Zürcher Mindestfallzahlen erreichten, liessen sich laut den Schätzungen der Einkaufsgemeinschaft pro Jahr 210 Millionen Franken einsparen.
Der Spitalverband H+ sagt, dass strikte Vorgaben von Fallzahlen zur Konzentration bestimmter Behandlungen auf wenige Spitalzentren führen könnten. Die Sicherheit der Patienten lasse sich auch durch ärztliche Weiterbildung verbessern. Laut dem medizinischen Berater Andreas Keusch fördern Mindestfallzahlen zudem unnötige Eingriffe, weil Spitäler unbedingt die Mindestlimite erreichen wollten.