Kurt Blättler spürte plötzlich einen starken Schmerz im Rücken, als er sich bückte. Grund: Zwei Brustwirbel waren gebrochen. Das geschah vor 16 Jahren. Seither erlitt er noch mehrere weitere Wirbelbrüche. Ärzte stellten bei ihm die Knochenkrankheit Osteoporose fest. Betroffene haben schwache Knochen, die schon bei geringer Belastung brechen. «Ich weiss nicht, warum mir das passierte», sagt der 79-Jährige aus Küsnacht ZH. «Ich ernährte mich immer gesund.»
Gegen die Osteoporose erhielt Kurt Blättler verschiedene Medikamente: Zuerst nahm er Bonviva-Tabletten. Sie hemmen den Knochenabbau. Vier Jahre lang bekam er Spritzen mit dem stärkeren Medikament Prolia. Als er Prolia absetzte, brachen bei ihm wieder zwei Lendenwirbel.
Nur 2 von 1000 Männern in der Schweiz betroffen
Osteoporose ist vor allem als Frauenkrankheit bekannt. Die Hausärztin Stephanie Wolff aus Bülach ZH erklärt: «Bei Frauen gibt es nach der Menopause einen Knick im Hormonhaushalt.» Das wirkt sich auch auf die Knochen aus. Bei Männern nehmen die Sexualhormone langsamer ab. Das sei einer der Gründe, weshalb bei Männern die Knochenmasse mit zunehmendem Alter langsamer abgebaut wird, sagt Wolff. In der Schweiz erleiden 5 von 1000 Frauen pro Jahr einen Wirbelbruch.
Bei Männern sind es nur etwa halb so viele. Das zeigen Studien der Universität Bern. Trotzdem wollen Ärzte mehr Männern Medikamente gegen Osteoporose verschreiben. Männer würden zu wenig untersucht und zu wenig behandelt, schrieben Ärzte vor einem Jahr im Fachblatt «Canadian Medical Association Journal». Dabei hätten Knochenbrüche bei ihnen schlimmere Folgen als bei Frauen.
Die neue Leitlinie des Dachverbands Osteologie empfiehlt, Männer schon ab 50 Jahren auf Osteoporose zu untersuchen, wenn sie ein erhöhtes Risiko vermuten – mit Knochendichtemessungen, Röntgenbildern und einem Risikorechner. Bisher lag die Schwelle bei 60 Jahren.
Medikamente können schwere Nebenwirkungen haben
Der Zürcher Hausarzt Thomas Walser hält dies für eine Panikmacherei: «Das ist für mich ein klarer Fall von ‹Disease Mongering›.» Das bedeutet: Ärzte machen Gesunde zu Kranken, um ihnen Medikamente zu verschreiben. Walser kritisiert: «Die Osteoporose ist bereits bei den Frauen ein Milliardengeschäft. Nun wird es auf die zweite Hälfte der Menschheit ausgedehnt.» Die Medikamente sind nicht harmlos: Sie können das Absterben der Kieferknochen, Magen-Darm-Probleme und andere Nebenwirkungen verursachen.
Walser empfiehlt das OsteoporoseScreening nur für Männer ab 70 Jahren. Auch internationale Experten empfehlen, Frauen über 65 und Männer über 70 sollten die Knochendichte messen lassen. Bei jüngeren Frauen und Männern sei das nur sinnvoll, wenn sie Risikofaktoren für schweren Knochenverlust hätten. Zu den Risikofaktoren zählen Knochenbrüche bei geringer Belastung, Arthritis, massiver Alkoholkonsum oder Hüftbrüche in der Familie. Die meisten Osteoporose-Medikamente sind für Frauen und Männer zugelassen.
Das östrogen-ähnliche Mittel Evista und die AntikörperSpritze Evenity dürfen Ärzte nur Frauen verschreiben. Bei abnehmender Knochendichte sind nur selten Medikamente nötig (saldo 15/2017).
Training senkt Hüftbruchrisiko um mehr als 50 Prozent
Hausärztin Stephanie Wolff empfiehlt Sport: «Bewegung fördert den Knochenaufbau und bremst den Verlust der Knochenmasse.» Besonders gut sei Trampolinspringen. Gemäss einer Untersuchung, die das «British Medical Journal» veröffentlichte, kann ein gezieltes Fitnesstraining das Risiko eines Hüftbruchs im Alter um mehr als die Hälfte senken. Wichtig sei auch, so Wolff, eine ausgewogene Ernährung mit genügend Kalzium und Vitamin D. Milchprodukte, Gemüse und Mineralwasser liefern Kalzium.
Kurt Blättler geht zweimal pro Woche ins Krafttraining und jeden Tag spazieren. Und er freut sich, dass er seit vier Jahren keine Wirbelbrüche mehr erlitten hat.
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