Detailhändler tragen in den Werbetexten für ihre Hochpreismarken dick auf. Die Migros schreibt etwa auf der Verpackung ihres «Sélection»-Orangenblütenhonigs, der «auserlesene» Honig werde jeweils im Frühling nach der «alten Tradition der Wanderimkerei» aus Sizilien gewonnen – «wenn ein zarter Duft in der Luft die Sinne betört». Bei der Herstellung der «Fine Food»-Burrata von Coop kneten «Hände gefühlvoll den Käseteig», und den Feigensenf kocht ein Familienbetrieb «wie zu Grossmutters Zeiten in offenen Töpfen».
Migros nennt die Hersteller nicht
Wortkarg geben sich Migros und Coop dagegen bei den überprüfbaren Fakten. Den Namen des Herstellers suchen Kunden auf den Verpackungen meistens vergeblich. Das zeigt eine saldo-Stichprobe von 50 «Sélection»-Produkten. Die Migros nannte den Hersteller nie – nicht einmal auf Esswaren, wo sie die «uralte Tradition» oder die «aufwändigen Verfahren» des Herstellers explizit bewirbt. So etwa bei den «Tartufi Neri» aus Italien oder «Macadamia Nüssen mit Milchschokolade» aus der Schweiz. Einzige Ausnahme: der «Culatello di Parma dei Fratelli Beretta». Migros begründet die fehlenden Deklarationen mit der «vertraglichen Situation» mit dem Hersteller.
Coop nennt nur bei 8 von 50 «Fine Food»-Produkten den Hersteller, beispielsweise beim «Bio Urdinkel Bauernbirnbrot» der Bäckerei Giacometti in Lavin GR. In drei weiteren Fällen finden die Kunden den Namen des Produzenten lediglich, wenn sie den Werbetext auf der Innenseite des Etiketts lesen. Coop schreibt, man nenne die Hersteller nur bei Schweizer Bio-Produkten.
Beispiel Burrata: Ein Lieferant, drei Verpackungen, drei Preise
saldo verglich die Luxusmarken von Coop und Migros mit den Edellinien der Konkurrenz: «Aldi Gourmet», «Lidl Deluxe» und «Spar Premium». Spar ist ähnlich intransparent wie die beiden grossen Schweizer Detailhändler: Nur bei 3 von 13 «Premium»-Produkten ist der Hersteller angegeben. Aldi gibt immerhin auf 39 von 60 geprüften «Gourmet»-Produkten preis, woher sie stammen. Auf vielen Verpackungen schreibt Aldi allerdings bloss «hergestellt für …». Diese Angabe führt nur zum Zwischenhändler, bei dem Aldi einkaufte, aber nicht zum tatsächlichen Hersteller.
Am präzisesten deklariert Lidl die Edelprodukte: Auf 39 von 41 wird der Hersteller mit Namen und Adresse genannt. So etwa bei der italienischen Käsespezialität Burrata. Sie wird von der Capurso Azienda Casearia in der Nähe von Bari (I) hergestellt. Preis: Fr. 2.99 für 200 Gramm. Coop, Migros und Spar dagegen verschweigen den Lieferanten ihrer Edel-Burrate. Alle drei beziehen das Produkt vom gleichen Hersteller, der Firma Delizia im italienischen Noci. Das verrät der Betriebscode, der auf Produkten tierischer Herkunft aufgedruckt sein muss. Spar und Coop verlangen für ihre Burrata Fr. 3.28 respektive Fr. 3.17 pro 100 Gramm. «Migros Sélection» 3 Franken.
Lidl macht präzise Angaben zur Herkunft der «Deluxe Crème Brûlée»: Sie stammt aus der französischen Fabrik Tradifrais in Biars-sur-Cère. Sie stellt auch die Crème Brûlée der Marke «Bonne Maman» von Coop her. Das verrät die bei Frischprodukten meist in einem kleinen Kreis aufgedruckte Firmennummer. Die Edeldesserts enthalten praktisch die gleichen Zutaten: 38 Prozent Rahm (respektive Halbrahm bei Lidl), Magermilch, Zucker, Eigelb, 7 Prozent Eier, Vanille und 4 Prozent Karamellsplitter. Der grosse Unterschied ist der Preis: Zwei Mal 100 Gramm kosten bei Coop Fr. 3.95, bei Lidl dagegen nur Fr. 2.19.
Der Orangenblütenhonig der Migros, der angeblich von Siziliens Wanderimkern geerntet wird, stammt bei genauerem Blick auf die Verpackung aus ganz «Europa». Das sei ein Fehler und werde angepasst, schreibt die Migros auf Anfrage. Den Lieferanten wird die Migros aber auf der neuen Verpackung nicht nennen. Das sei «aufgrund der unsicheren Beschaffungslage» nicht möglich.
Die Spur zum Hersteller
Fisch-, Fleisch- und Milchprodukte müssen laut Gesetz einen Betriebscode enthalten. Diese Codes kann man mit amtlichen Listen entschlüsseln und so die Hersteller ermitteln. Beispiel: Der Betriebscode CH 51955737, der auf der Packung des «Fine Food Graved Lachs» von Coop abgedruckt ist, führt zur Lachsräucherei Dyhrberg in Balsthal SO. Schweizer Betriebe kann man auf einer Internetseite des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit herausfinden: www.blv.admin.ch.