Die zystische Fibrose ist tückisch. Sie kann die Lunge von Patienten zerstören. In der Schweiz leiden Hunderte an dieser Stoffwechselkrankheit. Immerhin zahlen die Krankenkassen seit Mai erstmals drei neue Medikamente des US-Konzerns Vertex, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen sollen. Das Bundesamt für Gesundheit hat der Kassenpflicht der Medikamente nach dreijährigen Verhandlungen zugestimmt. Laut Sprecher Jonas Montani verlangte Vertex bisher für den «eher bescheidenen Nutzen» der Medikamente Orkambi und Symdeko einen «sehr hohen Preis».
Der Bund akzeptiert ihn jetzt trotzdem. Eine Behandlung mit dem Mittel Orkambi kostet im Jahr laut Listenpreis rund 170 000 Franken, mit Symdeko 204 000 Franken und mit Kalydeco 240 000 Franken. Im Gegenzug zahlt Vertex der Kasse des Patienten oder der Invalidenversicherung für jede vergütete Packung einen «festgelegten Anteil» des Preises zurück. Wie hoch dieser ist, macht der Bund nicht öffentlich. Auch Vertex und die Kassen verraten ihn nicht. Die Abmachungen seien «vertraulich».
Einen ähnlichen Kuhhandel ging das Bundesamt von Juli 2019 bis Juni 2020 für fünf weitere Medikamente ein, etwa den Cholesterinsenker Repatha oder das Blutpräparat Hemlibra. Das zeigen saldo-Recherchen. Das Bundesamt bestätigt die Zahl. Auch hier gilt: Die Kassen müssen neu die Behandlungskosten übernehmen. Und die Hersteller geben den Kassen auf die offiziellen Preise Rabatte in nicht genannter Höhe.
Geheimrabatte erschweren realistische Preisvergleiche
Bis Mitte 2019 hatte der Bund bereits für fünf Medikamente Rabattverträge abgeschlossen. Einer betraf das Brustkrebsmittel Perjeta, mit dem Roche 2019 in der Schweiz 30 Millionen Franken Umsatz erzielte.
Patrick Durisch von der Nichtregierungsorganisation Public Eye kritisiert, dass es bei Geheimrabatten «noch schwerer fällt zu sagen, ob der Preis für das Medikament fair ist oder nicht». Die Hersteller müssen nicht offenlegen, wie viel sie in Forschung und Entwicklung der Produkte gesteckt haben. Die Behörden können sich auch nicht auf Auslandspreisvergleiche verlassen. Das Bundesamt schaut jeweils, was das Medikament in Deutschland, Italien, Frankreich und sechs weiteren Ländern kostet. Das Amt rechnet aber mit ausländischen Listenpreisen. Laut Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Curafutura zahlen Versicherer im Ausland «aufgrund von Geheimrabatten oft viel weniger als offiziell angegeben». Die Schweizer Preise seien folglich oft zu hoch. Das Bundesamt sagt nur, ihm lägen keine Zahlen zu Rabatten vor.
Durisch kritisiert, dass die neuen Schweizer Schaufensterpreise Behörden anderer Länder täuschen würden: «Die Schweiz macht sich so zur Komplizin der Hersteller, die Preise verschleiern und künstlich in die Höhe treiben.»
Daniela Dürr vom Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen Interpharma verteidigt die Praxis der Geheimabsprachen. Neue Medikamente kämen häufig in vielfältigen Formen zur Anwendung. Es brauche daher mehr flexible Vergütungsmodelle als bisher.
Ein Sprecher des Bundesamtes sagte gegenüber saldo, sein Amt sehe vertrauliche Preismodelle «grundsätzlich kritisch». Sie trügen dazu bei, dass Hersteller stetig steigende Preise beantragten. Der Bund greife nur notgedrungen zu geheimen Absprachen. Sie brächten Schweizer Patienten Zugang zu neuen Medikamenten, welche diese sonst nicht erhielten. Und den Prämienzahlern «deutliche Spareffekte».