Antibiotika zählen zu den wichtigsten Errungenschaften der modernen Medizin: Sie bekämpfen bakterielle Infektionen. Doch immer mehr Bakterien sind gegen Antibiotika immun, weil sie in der Human- und Tiermedizin übermässig und falsch eingesetzt werden. Die problematischen Keime gelangen unter anderem über ausgeschwemmte Gülle und Kläranlagen in Flüsse und Seen.
Die eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit erklärte im Dezember 2014 antibiotikaresistente Keime zur «grössten Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz». Neuerdings werden in der Schweiz Kläranlagen mit zusätzlichen Reinigungsstufen ausgebaut.
Probe aus der Reuss bei Birmenstorf besonders belastet
saldo entnahm bei Badestellen und Strandbädern in der Deutschschweiz 22 Wasserproben. In 4 Proben wies das Labor multiresistente Fäkalkeime nach: im Rhein beim Badeplatz Wallbach AG, in der Reuss unterhalb Bremgarten AG und bei Birmenstorf AG sowie im Murtensee beim Strandbad Murten FR. Jeder der festgestellten Fäkalkeimtypen ist gegen mehrere der gängigen Antibiotika-Medikamente immun.
Besonders belastet ist die Probe aus der Reuss bei Birmenstorf: Darin fand das Labor drei verschiedene Fäkalkeime mit Antibiotika-Resistenzen. Einer davon ist gleich gegen drei der vier Gruppen von Antibiotika resistent, die zur Behandlung von schweren Infektionen eingesetzt werden.
Forscher der Universität Zürich fanden vor drei Jahren sogar in 21 von 58 Schweizer Gewässern multiresistente Fäkalbakterien. Die Proben entnahmen sie aber nicht bei Badestellen.
Keime können ihre Widerstandsfähigkeit übertragen
Was sind die Folgen für Badende? Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit, erklärt: «Auf jeden Fall besteht eine theoretische Gefahr der Übertragung.» Das heisst: Schlucke jemand Wasser, könnten die multiresistenten Keime ihre Widerstandsfähigkeit auf andere Darmbakterien übertragen. Der Badende wird Träger von resistenten Darmbakterien.
Möglich sei, dass die Keime über die Harnwege in den Körper un in der Blase Entzündungen auslösen könnten. Wenn eine solche Infektion nicht mit Antibiotika bekämpft werden kann, droht eine Nierenbeckenentzündung bis hin zur tödlichen Blutvergiftung. Wie die Übertragung von Antibiotika-Resistenzen auf den Menschen genau erfolgt, ist gemäss Koch noch unklar.
Höchste Wasserqualität erreichen nur in sieben Seen
Die Auswertung der saldo-Proben zeigt auch: Die Badewasserqualität ist in der Schweiz sehr unterschiedlich. Für die höchste Qualitätsklasse A muss die Zahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) des Fäkalkeims E. coli unter 100 pro Deziliter liegen. Diese Qualitätsstufe erreichten nur sieben Seen, nämlich:
- Baldeggersee
- Bodensee
- Hallwilersee
- Katzensee
- Rotsee
- Sempachersee
- Zürichsee
Bei den übrigen 15 Gewässern liegt die Zahl über 100 – zum Teil sogar sehr deutlich. Den höchsten Wert wies das Labor im Rhein beim Tinguely-Museum in Basel nach: 1200 KBE pro Deziliter. Eine hohe Zahl von Fäkalkeimen bedeutet aber nicht unbedingt eine höhere Zahl von solchen mit Antibiotikaresistenzen. Allerdings gilt: Je mehr Fäkalkeime, desto grösser das Risiko von Durchfallerkrankungen.
Als Schutz empfiehlt das Bundesamt für Umwelt: Nicht unterhalb einer Kläranlage baden, beim Schwimmen kein Wasser trinken und nach dem Baden duschen. Zudem sollte man nach längeren und intensiven Niederschlägen nicht ins Wasser steigen.
Hauptansatzpunkt im Kampf gegen Resistenzen ist die Senkung des Antibiotikaverbrauchs. Human- und Veterinärärzte verschreiben oft allzu leichtfertig Antibiotika. Hugo Sax, Leiter Spitalhygiene am Unispital Zürich, sagt: «Heute werden doppelt so viele Antibiotika abgegeben, wie nötig sind. Diese Menge muss unbedingt reduziert werden.»