Gaswerke geben sinkende Einkaufspreise kaum an die Haushalte weiter – steigende aber sofort
Einige Gasversorger erhöhen die Preise für Haushalte massiv. Als Grund nennen sie steigende Beschaffungskosten. Diese waren in den letzten Jahren aber tief – ohne dass die Kunden stark davon profitierten.
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- Kunden sind den Monopolen ausgeliefert
saldo 16/2021
12.10.2021
Letzte Aktualisierung:
13.10.2021
Darko Cetojevic
Die aktuellen Preisaufschläge für Gas treffen viele Haushalte hart. Kunden des Aargauer Gasversorgers Eniwa etwa zahlen seit Anfang Oktober für eine Kilowattstunde (kWh) rund einen Drittel mehr. Das bedeutet für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20 000 kWh Mehrkosten von 474 Franken pro Jahr.
Energie Zürichsee-Linth versorgt die Region um Rapperswil-Jona SG. Hier verursacht der Preisaufschlag bei einem Dur...
Die aktuellen Preisaufschläge für Gas treffen viele Haushalte hart. Kunden des Aargauer Gasversorgers Eniwa etwa zahlen seit Anfang Oktober für eine Kilowattstunde (kWh) rund einen Drittel mehr. Das bedeutet für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20 000 kWh Mehrkosten von 474 Franken pro Jahr.
Energie Zürichsee-Linth versorgt die Region um Rapperswil-Jona SG. Hier verursacht der Preisaufschlag bei einem Durchschnittshaus Mehrkosten von 420 Franken. Kunden von Energie Thun zahlen nächstes Jahr gar 498 Franken mehr.
Die Gaslieferanten begründen die hohen Aufschläge mit steigenden Grosshandelspreisen. Russland habe die Gaslieferungen verknappt, die europäischen Gasspeicher seien leer und die Nachfrage nach Gas in Asien sei stark gestiegen.
Kunden profitierten nicht von rückläufigen Beschaffungskosten
Die Argumentation mit höheren Einkaufskosten ist beim Gas neu. Ab 1973 koppelte die Branche den Gaspreis an die Entwicklung des Erdölpreises. Als in den Jahren 2013, 2014 und 2015 die Ölpreise stark fielen, wirkte sich dies aber kaum mehr auf den Gaspreis aus («K-Tipp» 4/2015).
Mit den Beschaffungskosten hatten die Gaspreise auch in den vergangenen zwei Jahren wenig zu tun. In dieser Zeit war Gas sehr günstig: Auf dem Spotmarkt fielen die Grosshandelstarife zwischen 2018 und 2020 um durchschnittlich fast 60 Prozent – von 25 auf rund 10 Franken pro Megawattstunde. Bei langfristigen Verträgen sanken die Grosshandelspreise in diesem Zeitraum um 34 Prozent von 23 auf 15 Franken. Das zeigen Zahlen von Enerprice, einem unabhängigen Energieberatungsunternehmen in Root LU.
Von diesen tiefen Grosshandelspreisen spürten die Schweizer Haushalte kaum etwas – dafür schrieben die Gasversorger über Jahre hohe Gewinne. Drei Beispiele:
- Energie Zürichsee-Linth: Per 1. April 2020 sank der Gaspreis für Haushalte nur gerade um 7 Prozent auf 8,2 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Das brachte dem Besitzer eines durchschnittlichen Einfamilienhauses eine Ersparnis von rund 100 Franken pro Jahr. Der Grosshandelspreis für Erdgas betrug im gleichen Jahr auf dem Spotmarkt im Durchschnitt aber lediglich rund 1 Rappen, auf dem Terminmarkt nur 1,5 Rappen pro kWh. Das Unternehmen gibt keine Auskunft über die Einkaufspreise. Jedenfalls profitierte es von den tiefen Marktpreisen: Die Energie Zürichsee-Linth wies in den vergangenen zwei Jahren einen Reingewinn von jeweils rund 4,4 Millionen Franken aus. Das Unternehmen gehört grösstenteils der Stadt Rapperswil-Jona SG und einer Anlagestiftung der Grossbank Credit Suisse.
- Eniwa: Das Unternehmen der Stadt Aarau und weiterer Gemeinden erhöhte die Gaspreise per Anfang Oktober um rund 30 Prozent. In den vergangenen zwei Jahren waren die Preise nur wenig gefallen – von rund 8,8 Rappen Anfang 2019 auf 7,3 Rappen Anfang 2021. Der durchschnittliche Grosshandelspreis auf dem Spotmarkt betrug im Jahr 2019 rund 1,5 Rappen pro kWh, im Jahr 2020 rund 1 Rappen. Auch die Eniwa gibt keine Auskunft über ihre Einkaufspreise. Im Geschäftsbericht 2020 heisst es dazu allerdings, dass «dank tiefer Beschaffungskosten ein sehr gutes Resultat» erzielt werden konnte. Der Gewinn des Unternehmens, das auch Strom liefert, stieg um 3 Millionen auf 13 Millionen Franken.
- Industrielle Werke Basel: Ende 2018 stiegen die Gaspreise für ein Durchschnittseinfamilienhaus um 120 Franken pro Jahr. Von den in den folgenden zwei Jahren fallenden Gaspreisen profitierten die Kunden aber nicht. Sie bezahlten stets rund 7,4 Rappen pro kWh – trotz Grosshandelspreis zwischen 1 und 1,5 Rappen. Erst im Juli dieses Jahres gewährten die Industriellen Werke Basel Haushalten eine Mini-Ermässigung. Sie beträgt auf zwölf Monate gerechnet rund 40 Franken. Das ist laut Preisüberwacher Stefan Meierhans deutlich zu wenig. In den vergangenen zwei Jahren wies das Unternehmen Gewinne von 148 und 108 Millionen Franken aus.
Kunden sind den Monopolen ausgeliefert
Haushalte brauchen Gas vor allem zum Heizen, Kochen und zur Aufbereitung von Warmwasser. Auf sie entfallen rund 40 Prozent des Schweizer Gasverbrauchs. Die Gasversorgung des Landes erfolgt über rund hundert lokale und regionale Unternehmen. Häufig sind sie ganz oder teilweise im Besitz von Gemeinden und Kantonen und verfügen in ihrem Gebiet faktisch über ein Versorgungsmonopol.
Folge der lokalen Versorgungsmonopole sind deutlich höhere Preise als im Ausland, wo Kunden ihren Lieferanten frei wählen können. Beispiel: Ein Durchschnittshaushalt in Pratteln BL bezahlt für die Gaskosten rund 1680 Franken pro Jahr. Im wenige Kilometer entfernten Lörrach (D) ist die Rechnung rund 500 Franken tiefer. Zwischen Rorschach SG und der 25 Kilometer entfernten Stadt Dornbirn (A) beträgt der Preisunterschied fast 400 Franken, wie eine aktuelle «K-Tipp»-Recherche zeigte («K-Tipp» 11/2021).