Ein Rechtsanwalt aus Zürich hatte vor zwei Jahren einen Autounfall. Ein vorbeifahrendes Fahrzeug touchierte einen bereits defekten Verkehrspfosten und prallte gegen das Fahrzeug des Anwalts. Der Unfallverursacher floh, statt anzuhalten. Die Kantonspolizei konnte ihn nicht ermitteln. Deshalb meldete der Zürcher den entstandenen Schaden dem Nationalen Garantiefonds und bat um eine Kostengutsprache. Der Fonds kommt für Schäden auf, die durch unbekannte oder nicht versicherte Fahrzeuge verursacht werden (siehe Kasten).
Doch in diesem Fall weigerte sich der Garantiefonds zu zahlen. Das wollte der Anwalt nicht hinnehmen und zog gegen den Fonds vor Gericht. Die Forderung des Klägers am Bezirksgericht Zürich: 2400 Franken für die Reparaturkosten am Fahrzeug abzüglich des generellen Selbstbehalts von 1000 Franken beim Garantiefonds, unter dem Strich also 1400 Franken.
«Wer eine Vollkasko hat, darf nicht schlechtergestellt sein»
Der Anwalt des Fonds lehnt eine Zahlung von 1400 Franken ab. Begründung: Der Kläger verfüge über eine Vollkaskoversicherung – und diese müsse die Kosten für den Schaden übernehmen. Der Fonds sei vom Gesetzgeber nicht als Versicherung, sondern als Auffangeinrichtung vorgesehen: «Wir kommen in Ergänzung zu den existierenden Schadenausgleichssystemen als letzte Stelle zum Zuge.» Der Garantiefonds hafte somit lediglich für ungedeckte Schäden.
Der Kläger argumentiert, er könne nicht verstehen, weshalb jemand, der freiwillig eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen habe, schlechtergestellt sein soll als ein Autohalter ohne Kaskoversicherung. Der Garantiefonds sei ja explizit dafür geschaffen worden, um für Schäden durch Unfallflüchtige aufzukommen. Deshalb stehe der Fonds in solchen Fällen auch an erster Stelle für die Schadendeckung.
Der Anwalt des Garantiefonds sieht das anders: Laut Gesetz müsse der Fonds nicht zahlen, wenn der Schaden von einer anderen Versicherung übernommen werde.
Die Einzelrichterin ermuntert die Parteien mehrmals, einen Vergleich abzuschliessen. Doch beide Seiten wollen nichts davon wissen und beharren auf einem Gerichtsentscheid.
Das Urteil folgt rund ein Jahr später. Die Richterin weist die Klage ab. Ihre Begründung folgt der Argumentation des Anwalts des Fonds: Sinn und Zweck des Nationalen Garantiefonds sei es, als «letztes Mittel und damit quasi als Notnagel subsidiär zu den existierenden Schadenausgleichssystemen zum Zuge zu kommen». Das entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der den Fonds nicht als Versicherung, sondern als Auffangeinrichtung sehe. Der Kläger muss die Gerichtskosten von 325 Franken übernehmen und dem Garantiefonds 300 Franken Prozessentschädigung zahlen.
Das deckt der Garantiefonds
Der Nationale Garantiefonds übernimmt gemäss dem Strassenverkehrsgesetz Schäden, die in der Schweiz durch Velos oder «nicht ermittelte oder nicht versicherte Motorfahrzeuge und Anhänger» verursacht werden.
Die Leistung entfällt in dem Umfang, in dem der Geschädigte Leistungen aus einer Schadenversicherung oder einer Sozialversicherung beanspruchen kann. Der Selbstbehalt beträgt 1000 Franken.