Eurobus in Windisch AG verspricht auf seiner Website: «Ihr einbezahltes Geld für Ihre Reise ist beim Garantiefonds der Reisebranche zu 100 Prozent abgesichert.» Auch das Reisebüro Hintermann Reisen in Beinwil a. S. AG wirbt mit dem Garantiefonds: «Mit dieser Reisegarantie gehen Sie kein finanzielles Risiko ein – egal, was passiert.»
Beide Aussagen treffen nicht zu. Laut Gesetz müssen die Reiseveranstalter zwar die Erstattung bezahlter Beiträge und die Rückreise für den Konkursfall sicherstellen. Doch die für diesen Zweck gegründeten Sicherheitsfonds sichern bei einem Konkurs nur einen Teil der vorausbezahlten Kundengelder ab. Das gilt für alle vier Sicherheitsfonds: den Garantiefonds der Schweizer Reisebranche, Swiss Travel Security (STS), Travel Professional Association (TPA) und Fair-Reisegarant (FAIR).
In der Schweiz gibt es etwa 1100 Reisebüros. Sie erzielen einen Jahresumsatz von rund 7,5 Milliarden Franken. 480 Reisebüros sind dem Garantiefonds der Schweizer Reisebranche angeschlossen, darunter Tui Suisse, Hotelplan, Globetrotter und Knecht Reisen (siehe Tabelle im PDF). Jedes der 480 angeschlossenen Unternehmen muss eine bestimmte Summe auf ein Sperrkonto des Fonds einzahlen oder eine entsprechende Bankgarantie hinterlegen.
Der Garantiefonds verfügt zurzeit neben diesen Garantiesummen über Rückstellungen in der Höhe von 5,37 Millionen Franken. Dieses Geld ist für Schäden bestimmt, die von der Garantiesumme des Reisebüros nicht gedeckt sind. Zudem schloss der Fonds eine Rückversicherung bei der Axa ab. Diese deckt weitere Schäden infolge Konkurs von Reisebüros bis maximal 6 Millionen Franken pro Jahr. Pikant: Ausgeschlossen sind Schäden aufgrund der Coronapandemie.
2015 gingen drei beim Garantiefonds angeschlossene Reisebüros Konkurs. Die Kunden verlangten die Rückerstattung von Vorauszahlungen in der Höhe von 6,94 Millionen Franken. Die drei Reisebüros hatten aber nur total 1 Million Franken hinterlegt. Der Garantiefonds musste mit 5,94 Millionen Franken aus den Reserven einspringen. Das ist mehr Geld, als er zurzeit für Schäden zurückgestellt hat.
Die Rückstellungen der Fonds sind viel zu gering
Das bedeutet: Würde heute ein grosser Reiseveranstalter pleitegehen, hätte das auch den Konkurs des Garantiefonds zur Folge. Dasselbe gilt, wenn gleichzeitig mehrere mittelgrosse Reisebüros ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten. Das bestätigt Stefan Spiess, Geschäftsführer des Garantiefonds: «Es besteht keine hundertprozentige Deckung der Kundengelder.»
Viel zu gering sind auch die Mittel der anderen Fonds. Ihre Rückstellungen für Schäden betragen nur gerade 100 000 (FAIR) und 600 000 Franken (TPA). «Unser Garantiefonds wird standhalten, wenn nur kleine Reisebüros Konkurs gehen. Bei grösseren Reisebüros könnten wir an unsere Grenzen stossen», sagt TPA-Präsidentin Sonja Laborde.
Eurobus und Hintermann Reisen kündigten gestützt auf die saldo-Recherchen an, ihr Garantiefonds-Versprechen zu relativieren.
Grosses Konkursrisiko in der Reisebürobranche
Aktuell kämpfen viele Reisebüros ums Überleben: Sie mussten in den letzten Monaten die vorausbezahlten Kundengelder für abgesagte Pauschalreisen zurückzahlen. In welchem Umfang, ist nicht bekannt. Neubuchungen gibt es zurzeit erst wenige. In einer aktuellen Umfrage des Internetportals Travelnews.ch schätzte ein Drittel der 185 teilnehmenden Reisebüros die Chance eines Konkurses als «hoch» oder «sehr hoch» ein. Der Bundesrat beschloss am 20. Mai für die Reisebüros einen «Rechtsstillstand» bis zum 30. September. Das bedeutet: Kunden, die auf ihr Geld warten, können die Büros bis zu diesem Datum nicht betreiben.
saldo fragte die Reiseversicherungen ACS, Allianz, Axa, Baloise, CSS, ERV, Generali, Helvetia, Mobiliar, TCS, VCS und Zurich an, ob sie das Konkursrisiko des Reiseanbieters versichern. Das tut nur die Helvetia. Die Jahresreiseversicherung für Annullationskosten und Personen-Assistance kostet 150 Franken für eine Einzelperson und 231 Franken für Mehrpersonenhaushalte.