Bei Elisabeth Kieliger liegen Gallensteine in der Familie. Immer wieder litt die heute 66-Jährige aus Steinen SZ deswegen unter starken Krämpfen im Oberbauch. Die letzte dieser Gallenkoliken war besonders schmerzhaft: «Mir brach der kalte Schweiss aus», erinnert sie sich. Gallensteine bilden sich aus festen Stoffen der Gallenflüssigkeit. Wenn grössere Steine im engen Ausgang der Gallenblase steckenbleiben, verursachen sie eine Kolik.
Elisabeth Kieliger liess sich schliesslich operieren. Der Chirurg zertrümmerte die Steine und entfernte sie samt der ganzen Gallenblase.
In der Schweiz gehört das Entfernen der Gallenblase zu den häufigsten Operationen: Rund 14 000 Mal entfernten Chirurgen im Jahr 2017 eine Gallenblase (siehe Grafik). Weil die Operation als risikoarm gilt, greifen Chirurgen oft auch bei leichten Beschwerden wie Völlegefühl, Bauchweh, Verstopfung oder Durchfall zum Skalpell, wenn sie Gallensteine finden. Denn nicht immer lösen Gallensteine schwere Koliken aus wie bei Elisabeth Kieliger.
Eine Operation kostet laut dem Krankenkassenverband Curafutura 7500 Franken. Insgesamt belaufen sich die jährlichen Kosten also auf über 100 Millionen Franken.
Doch jetzt mehren sich die Hinweise, dass viele Eingriffe gar nicht nötig wären. Das zeigt eine neue Studie der Universität Amsterdam mit über tausend Patienten. Personen, die man nicht operierte, hatten nicht mehr Nachteile als solche, denen Chirurgen die Gallensteine entfernte. Die Gallensteine verursachten bei diesen leichten fällen nur selten schwere Komplikationen wie eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Für Studienautorin Aafke van Dijk ist klar: «Ärzte sollten bei Gallensteinen eine Operation zurückhaltender empfehlen.» Auch Schweizer Fachleute raten zu mehr Vorsicht. Magen-Darm-Arzt Peter Bauerfeind vom Zürcher Triemlispital sagt: «Die Ergebnisse der Studie sollten zum Nachdenken anregen.»
Beschwerden halten nach dem Eingriff häufig an
Kommt hinzu: Der Eingriff garantiert nicht, dass die Beschwerden danach weg sind. Vor sechs Jahren zeigte eine Übersichtsstudie der Uni Nijmegen (NL), dass rund ein Drittel der Operierten danach immer noch Bauchschmerzen hatte. Auch an Verstopfung und Durchfall änderte sich nichts. Der Magen-Darm-Arzt Dominique Criblez vom Luzerner Kantonsspital sagt: «In solchen Fällen kann sich die Diagnose im Nachhinein als falsch erweisen. Die Gallensteine waren nicht die Ursache.» Es sei deshalb wichtig, dass man Patienten vorher gut untersuche. Denn die Operation könne Beschwerden gar verschlimmern – zum Beispiel bei Patienten mit Reizdarm: «Sie haben danach bisweilen noch mehr Durchfall.»
Gallensteine kommen relativ häufig vor. Bei jedem fünften Menschen liegen sie in der Gallenblase und bereiten dort meistens keinerlei Probleme. Dann braucht es auch keine Behandlung.
Chirurg Christoph Maurer aus Solothurn empfiehlt eine Operation dann, wenn die Patienten mindestens einmal eine typische Gallenkolik erlitten – das sind krampfartige Oberbauchschmerzen, die in den Rücken und die rechte Schulter ausstrahlen können. Ebenso nötig ist der Eingriff bei Komplikationen wie einer akuten Entzündung der Gallenblase oder wenn Steine den Hauptgallengang verstopfen. Das war auch bei Patientin Kieliger der Fall. «Ein Stein war so gross wie eine Fingerspitze», erinnert sie sich. Ihre Gallenblase hatte sich wegen der Steine entzündet.
Fasten und extreme Diäten fördern Gallensteine
Laut Christoph Maurer hat es sich nicht bewährt, Gallensteine mit anderen Methoden wie Tabletten oder Stosswellen loszuwerden. Bei leichteren Bauchbeschwerden raten Fachleute, abzuwarten. Maurer empfiehlt zudem, nur leichtes Essen einzunehmen und allfälliges Übergewicht zu reduzieren – allerdings nicht zu schnell. Denn extreme Diäten und Fasten fördern Gallensteine. Der Grund: Gibt es kein Fett zu verdauen, arbeitet die Gallenblase nicht. Dann dickt die Gallenflüssigkeit ein und es können sich Steine bilden.
Bei Gallensteinen sollte man auch nicht auf Leber-Galle-Tees und Pflanzenpräparate mit Artischocken und anderen Kräutern setzen. Der Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH warnt: «Das kann eine Kolik auslösen.» Denn sie regen den Gallenfluss an und bewegen damit auch die Steine Richtung Gallengang, wo sie steckenbleiben können. Tees und Artischockenpräparate helfen lediglich, Fett zu verdauen. Koradi: «Das kann nach einer Operation der Gallenblase hilfreich sein.» Besser sei jedoch, weniger Fett zu essen.
Das beherzigt auch Elisabeth Kieliger. Schwere Saucen, fetten Käse und Rahm meidet sie, ebenso blähendes Gemüse. «Ich esse heute langsamer, leichter und nur noch kleine Portionen.» Damit gehe es ihr sehr gut.
Gallensteine: Das sollten Sie beachten
- Vermeiden Sie Übergewicht.
- Machen Sie keine extremen Diäten.
- Essen Sie kleine Portionen und wenig Fettes.
- Vollkorngetreide, Gemüse und Früchte enthalten viele Fasern. Das hilft der Verdauung.
- Verwenden Sie Pflanzenpräparate für Leber und Galle nur in ärztlicher Absprache.