Für die «Berner Zeitung» ist der Fall klar: «Die Young Boys wurden vor drei Tagen zum wiederholten Mal in einer Partie gegen den FCB von den Spielleitern benachteiligt.» Das Blatt zieht dieses Fazit nach dem Meisterschaftsspiel gegen den FC Basel (8. Februar). Es bleibt «die Erkenntnis, dass YB die Begegnung mit allergrösster Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte, wenn die Unparteiischen nicht drei grobe Fehler begangen hätten».
Liest man die «Basler Zeitung», kann man nicht glauben, dass der Berichterstatter das gleiche Spiel besuchte: «Da scheint sich im Heimspiel gegen den BSC Young Boys zuerst alles gegen den FCB verschworen zu haben. Da hilft sogar der Unparteiische mit, wenn es darum geht, gegen die Rotblauen ein Tor zu schiessen. Und dann geht der FC Basel doch als Sieger des Spitzenkampfes vom Platz.» Der Schiedsrichter hat aus Basler Sicht beim Penalty «einen Ermessensentscheid» getroffen. Der Titel des BaZ-Zeitungsberichts sagt dem Leser alles: «Die Inkompetenz der Konkurrenz.»
Jedes Blatt schafft es, die Heimmannschaft positiv darzustellen
Eine Woche nach dem Berner Spiel gehen auch in Luzern die Wogen hoch. Aarau verliert 2:3. Die Aargauer «Schweiz am Sonntag» schreibt über einen Schiedsrichterentscheid in der 91. Minute: «Der zweite Penaltyentscheid, ein angebliches Foul von Aaraus Neuzuzug Stephan Andrist an Jahmir Hyka, war ein Witz.» Und das Blatt bekrittelt auch den ersten Penaltyentscheid: «Ein unglückliches und auch unabsichtliches Handspiel.» Fazit der Aargauer Berichterstattung: «Fehlende Fantasie kann man Sandro Schärer nicht vorwerfen.» Schärer war der Schiedsrichter.
Und wie sieht das Spiel aus Luzerner Sicht aus? «Es kann kein Zufall sein, dass die Innerschweizer so oft wichtige Tore vor dem Abpfiff erzielen. Dazu benötigt eine Mannschaft sicher mentale Robustheit.» Kein Wort über den umstrittenen Penaltyentscheid. Immerhin schimmert manchmal so etwas wie Kritik an der eigenen Mannschaft durch.
Als der FCB am 23. Februar gegen GC unentschieden spielte, schreibt die «Basler Zeitung» über das FCB-Spiel: «Es dürfte sich niemand beklagen, käme es anders. Denn der FC Basel gibt nach einer ordentlichen ersten Hälfte das Spieldiktat aus der Hand.» Wobei GC «primär destruktiv agiert». Diese Meinung teilt der Zürcher «Tages-Anzeiger» naturgemäss nicht: «Die Mannschaften blockierten sich, keine war bereit, die Abwehr zu öffnen, das Risiko wirklich zu suchen», heisst es in der ziemlich ausgewogenen Berichterstattung. Einzig der Titel macht klar, wem der Sieg eigentlich gehört hätte: «Zwei verlorene Punkte.» Selbstredend für die Zürcher.
Zur Pflicht der Fussballreporter gehört es, das eigene Publikum bei Laune zu halten, auch wenn es wenig zu lachen gibt. So hat die «Luzerner Zeitung» richtig erkannt, dass der Heimclub bei der Niederlage gegen Young Boys die schwächere Mannschaft war. Aber um keine lokale Depression aufkommen zu lassen, findet das Blatt dennoch einen positiven Ansatz: «Torchancen erarbeiteten sich die Innerschweizer lange Zeit sogar mehr.» Mit anderen Worten: Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam noch Pech dazu. Ganz anders die Analyse der «Berner Zeitung». Das Blatt lobt den japanischen Stürmer Yuya Kubo als Matchwinner über den Klee. Bei den Luzernern wird der Spieler kaum erwähnt.
An einer Niederlage ist einfach der Schiedsrichter schuld
Egal. Wer glaubt, bei der Lektüre von Fussballberichten die Wahrheit zu erfahren, unterliegt einer Täuschung. Aber das ist in den meisten Fällen ja ohnehin nicht nach dem Sinn des Lesers – man sucht vielmehr die Bestätigung für die Leistungen des eigenen Teams. Auch in der Niederlage, an der ohnehin der Schiedsrichter schuld ist. «Die Wahrheit ist das erste Opfer des Kriegs», sagte der US-Politiker Hiram Johnson (1866–1945) vor hundert Jahren nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wäre der Mann heute Medienkritiker, könnte er den Spruch eins zu eins auf die Sportberichterstattung münzen.