Modeshop von Gerry Weber an der Seefeldstrasse in Zürich: Bei den Kleidungsstücken ist an der Innenseite zwischen den Pflegeetiketten eine metallisch schimmernde Folie eingenäht. Es handelt sich um einen RFID-Chip, auf dem die Seriennummer des Kleidungsstückes gespeichert ist. Gemäss Angaben am Gerry-Weber-Hauptsitz in Deutschland deaktiviert das Unternehmen in den eigenen Läden die Funketiketten beim Bezahlen an der Kasse.
In Zürich hingegen verkauft das Unternehmen Modekeller Kleider von Gerry Weber. Der Chip bleibt hier auch nach dem Kauf aktiv. Das Ladenpersonal sagt, dass es zum Erfassen und Auschecken der Kleider mit Strichcode-Etiketten arbeite. Nur wenn der Strichcode fehle, werde auf das Funketikett zurückgegriffen.
Das heisst: Wer Kleider des Zürcher Gerry-Weber-Shops trägt, führt ein Funketikett mit sich herum, das mit entsprechenden Lesegeräten automatisch und unbemerkt von Dritten mittels Radiowellen gelesen werden kann (siehe Kasten). So ist es möglich, Bewegungs- und Verhaltensprofile des Trägers zu erstellen. Catharina Berndt, Sprecherin von Gerry Weber, sagt zwar: «Die Seriennummer wird «in keinem Fall» mit Kundendaten in Verbindung gebracht. Und: «Falls das Etikett beim Kauf nicht entfernt wird, ist es nach ein paar Mal Waschen zerstört.»
Funketiketten zum Teil gut versteckt
Bei der italienischen Edelmarke Peuterey ist das Funketikett fest in die Kleider eingenäht und unsichtbar. Laut Lukas Notter vom Peuterey-Shop an der Strehlgasse in Zürich verfügt sein Laden über kein Gerät zum Lesen des RFID-Chips. Wozu das Funketikett genau dient, weiss er nicht. Eine Anfrage von saldo bei der Medienstelle des Peuterey-Mutterhauses in Italien blieb unbeantwortet.
Das schwedische Modehaus H&M testet zurzeit nach eigenen Angaben den Einsatz von Funketiketten in «kleinem Umfang». In den Schweizer H&M-Läden sind ab Ende September Schuhe mit RFID-Chips versehen. Die Chips sind fest in die Schuhsohlen eingearbeitet. H&M behauptet, sie würden «ausschliesslich der Diebstahlsicherung» dienen. Laut Sprecher René Zibold ist keine Information der Kunden geplant. Nach dem Kauf deaktiviere H&M die Sicherung.
Laut dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür ist ein Laden verpflichtet, den RFID- Chip zu deaktivieren, sobald der Kunde den Artikel bezahlt hat. Sind die Funketiketten auch nach dem Verkauf noch lesbar, müsse der Laden den Kunden darüber informieren und sein Einverständnis dazu einholen. Zudem müssen die Käufer laut Thür jederzeit die Möglichkeit haben, den RFID-Chip selbst zu deaktivieren.
Chip im Preisschild wird entfernt
Gut gelöst hat das Bekleidungsunternehmen C&A die Unschädlichmachung der Funketiketten. Die Schweizer Filialen nutzen die Funketiketten zwar nicht aktiv, doch sind viele Kleidungsstücke der europaweit tätigen Kette damit ausgerüstet. Da die Funkchips in Hänge- und Klebeetiketten integriert sind, die der Kunde vor dem Tragen des Kleidungsstücks ohnehin entfernt, besteht kein Risiko, nach dem Kauf heimlich ausgespäht zu werden.
RFID-Technik
RFID steht für Radio-Frequenz-Identifikation und bezeichnet eine Technik zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten mit Hilfe von Radiowellen. RFID-Chips brauchen keinen Sichtkontakt zum Lesegerät und können auch auf Distanz gelesen werden. Bei passiven Chips kann sie rund sechs Meter betragen, bei aktiven mehrere Hundert Meter (saldo 18/03).
Zum Einsatz gelangt die RFID-Technologie etwa beim neuen Swisspass der SBB oder bei Waren aller Art. Mit Lesegeräten können RFID-Chips heimlich geortet und ausgespäht werden. Wenn Artikel mit einem Chip im Einkaufswagen liegen, kann der Laden verfolgen, wie lange sich jemand in bestimmten Abteilungen aufhält und welchen Weg durch den Laden er wählt. Das Erstellen solcher Bewegungsprofile birgt die Gefahr des Missbrauchs. Werden die Informationen einer Funketikette mit anderen personenbezogenen Daten verknüpft, ermöglicht das weitreichende Aufschlüsse über die Privatsphäre einer Person.