Für tierische Leiden in die Apotheke
Ab sofort sind Tiermedikamente auch in der Apotheke erhältlich. Das exklusive Geschäft zwischen Herstellern und Tierärzten ist damit Geschichte.
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saldo 18/2004
10.11.2004
Hannes Britschgi
Leidet Kater Balthasar an Flöhen oder Hündchen Minu an Durchfall, gibt es jetzt Hilfe gleich um die Ecke - beim nächsten Apotheker. Dieser schnelle und bequeme Gang war bis heute unmöglich. Hersteller und Grossisten von Tierheilmitteln verkauften exklusiv an die Tierärzte und weigerten sich, Apotheken zu beliefern.
Jetzt hat die Wettbewerbskommission (Weko) entschieden, dass diese «Benachteiligung kartellrechtswidrig» ist. Bis es so weit war, hat es fast zehn Jahre gedauert...
Leidet Kater Balthasar an Flöhen oder Hündchen Minu an Durchfall, gibt es jetzt Hilfe gleich um die Ecke - beim nächsten Apotheker. Dieser schnelle und bequeme Gang war bis heute unmöglich. Hersteller und Grossisten von Tierheilmitteln verkauften exklusiv an die Tierärzte und weigerten sich, Apotheken zu beliefern.
Jetzt hat die Wettbewerbskommission (Weko) entschieden, dass diese «Benachteiligung kartellrechtswidrig» ist. Bis es so weit war, hat es fast zehn Jahre gedauert. Seit 1995 brütete die Kartellkommission über dem Dossier, 1999 übernahm die Weko.
Die Pharmafirmen müssen 140 000 Franken Verfahrenskosten bezahlen und ab sofort die Apotheken als Kunden akzeptieren. Das läuft bereits. Hersteller Novartis meldet: «Wir haben die mit der Weko vereinbarte Regelung akzeptiert.»
«Das ist weniger ein Sieg der Apotheker als ein Sieg der Vernunft», freut sich Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizerischen Apothekerverbandes (SAV).
Tierärzte zweifeln am Können der Apotheker
Enttäuscht sind hingegen die Tierärzte, denn sie hatten jahrzehntelang vom Exklusivpakt profitiert. «Wir werden uns wehren, so gut wir können», sagt der Präsident der Gesellschaft Schweizer Tierärzte, Andrea Meisser. Er befürchtet Schlimmes für die Gesundheit der Tiere: «Es wird zu heiklen Fehlbehandlungen kommen mit fatalen Folgen für die Tiere.»
Die Apotheker sind durch solche Aussagen gelinde gesagt ein wenig peinlich berührt: «Wir sind Arzneimittelspezialisten. Warum sollten wir in der Humanmedizin kompetent Medikamente abgeben können, nicht aber in der Tiermedizin?», fragt Marcel Mesnil.
Apotheker und Tierärzte balgen sich um einen Tierarzneimittelmarkt von rund 100 Millionen Franken - genaue Zahlen existieren nicht; davon entfallen etwa 60 Millionen Franken auf Tiermedikamente und medikamentenähnliche Produkte und 40 Millionen auf Tierfuttermittel.
Die Apotheker haben vor allem das Segment der Floh-, Zecken- und Entwurmungsmittel im Auge, was ihnen den Vorwurf «Rosinenpicker» einträgt. Die Antiparasiten-Medikamente machen etwa 20 Millionen der 60 Millionen Franken aus. Um dieses Stück des Kuchens dreht sich der Streit.
Das mag von aussen als winzige Marktnische erscheinen, wenn man sich den Milliardenmarkt in der Humanmedizin vor Augen hält. Aber aus Sicht der Veterinäre, deren Jahresumsatz zu 20 bis 30 Prozent von den Tiermedikamenten abhängt, sieht das ein wenig anders aus:
Ihre Marge auf den Medikamenten liegt zwischen 30 und 50 Prozent. Präsident Meis-ser zu den Schmerzen im Portemonnaie-Bereich seiner Verbandsmitglieder: «Unsere Leute brauchen diese Quersubventionierung durch den Medikamentenverkauf, denn allein von ihrer medizinischen Kunst können sie nicht leben.»
Tierärzte stützen sich auf die Rezeptpflicht
Kein Wunder also, dass die Tierärztegesellschaft am 24. November beraten wird, ob sie gegen die Verfügung der Weko Rekurs einlegen will. Andrea Meisser sieht einen anderen Weg: «Wir können uns einen Rekurs gar nicht leisten. Schon heute haben wir in diesem Verfahren Anwaltskosten von gegen 40 000 Franken. Wir werden eher auf der politischen Ebene aktiv und planen eine Aufklärungskampagne.»
Die Tierärzte haben noch einen anderen Trumpf in der Hand: Rund 80 Prozent aller Tiermedikamente sind rezeptpflichtig - und für diese Rezepte sind die Veterinäre zuständig. Wie sagte doch ihr Präsident: «Wir werden uns wehren, so gut wir können.»
Rezeptpflichtig oder nicht?
Unter www.tierarznei mittel.ch lässt sich im Internet überprüfen, ob das gewünschte Medikament für ein Haustier beim Apotheker rezeptfrei erhältlich ist:
Begriff «Markennamen» aufrufen, anschliessend den Anfangsbuchstaben des Medikaments anklicken und dann das Medikament auswählen. Fast am Ende des Dokuments steht unter dem Stichwort «Verkaufsart» entweder A, B, C, D oder E. Die Medikamente der Kategorien C, D und E können beim Apotheker rezeptfrei bezogen werden; für die übrigen Klassen braucht es ein tierärztliches Rezept, um die Mittel in der Apotheke beziehen zu können.
Hat ein Apotheker das gewünschte Medikament nicht an Lager, kann er es sofort bestellen. Die Lieferfrist beträgt in der Regel einen halben Tag.