Am Kreisgericht Rorschach SG geht es in der Verhandlung um Nächstenliebe, Freundschaft, Vertrauen – und Geld. Der Kläger ist ein stämmiger Mann Mitte vierzig. Aufgeregt und mit rotem Gesicht nimmt er vor der Richterin Platz. Er hat keinen Anwalt. Dafür ist seine Tochter mitgekommen. Sie sitzt entspannt neben ihm. Ihr Parfüm riecht man im ganzen Saal. Die Gerichtsschreiberin rümpft die Nase.
Dem Mann gegenüber sitzt seine ehemalige Vermieterin in Begleitung einer jungen Anwältin. Die Beklagte vermietete ihm rund drei Jahre lang eine ihrer Wohnungen. Das Verhältnis zwischen den beiden muss eine Zeit lang freundschaftlich gewesen sein. «Anfang 2014 verlor ich meinen Job als Maler», erzählt der Kläger. «Dann wurde mir auch noch die Wohnung gekündigt.» Er sei mit seiner Tochter im Teenageralter allein gewesen, seine Frau lebte im Ausland. «Damals bot die Vermieterin uns trotz meiner finanziellen Probleme eine Wohnung in Rorschach an.» Dankbar sei er mit seiner Tochter eingezogen. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs finanziell über Wasser.
Das freundschaftliche Verhältnis kühlte sich ab, als er Anfang 2017 mit den Mietzinsen drei Monate in Verzug geriet. «Damals blieben Aufträge aus», erklärt der Maler. Der Mann der Vermieterin habe sich ihm gegenüber autoritär und aggressiv verhalten. Dabei sei die Miete in den Jahren zuvor immer bezahlt worden, bekräftigt der Maler. «Aber manchmal eben halt etwas verspätet.»
Der Mann blieb drei Monatsmieten schuldig
Im April 2017 kündigte die Vermieterin die Wohnung und leitete für die ausstehenden drei Monatsmieten eine Betreibung über knapp 4000 Franken ein. Der Maler bestritt den Betrag und erhob Rechtsvorschlag.
Nun fordert er von ihr 14 000 Franken für Malerarbeiten. «Ich habe 2015 und 2017 für sie Wohnungen in Arbon und Goldach gestrichen», begründet der Maler seine Klage. Die Forderung der Vermieterin von 4000 Franken sei damit längstens abgegolten. Der Mann hebt Fotos in die Luft, auf denen er beim Streichen zu sehen ist. «Als Dank werde ich aus der Wohnung geschmissen und soll auch noch 4000 Franken zahlen!»
Die Richterin will wissen, weshalb er die 14 000 Franken erst jetzt von der Vermieterin verlange. «Ihr Mann hat mich immer wieder vertröstet, wenn ich nach der Bezahlung fragte», antwortet der Kläger. «Auch habe ich mich geschämt, das Geld wiederholt einzufordern. Sie hatte mir am Anfang doch so geholfen.»
Die Vermieterin räumt ein, dass der Mann in zwei ihrer Wohnungen Malerarbeiten ausgeführt habe. Damit seien ausstehende Mieten beglichen worden, bei weitem aber nicht alle. «Wir schulden ihm nichts», sagt die Frau. Im Gegenteil: «Er hat unser Vertrauen missbraucht und die Wände so lausig gestrichen, dass wir nochmals einen Maler engagieren mussten.» Andere Handwerker könnten das beweisen. «Ich bin ein Profi!», ruft der Maler daraufhin entrüstet aus. Und wieder hält er die Fotos als Beweis in die Luft.
Der Maler kann seine Arbeiten nicht konkret belegen
Doch das nützt ihm nichts: Die Fotos seien als Beleg für die Forderung nicht ausreichend, sagt die Richterin. «Sie hätten die 14 000 Franken doch schon zwei Wochen nach der erfolgten Wohnungskündigung durch die Beklagten einfordern können.»
Für den Maler sieht es deshalb nicht gut aus. Er hat keine Beweise und kann seine Arbeiten nicht konkret belegen. Die Anwältin der Vermieterin lächelt siegessicher. Ein Vergleich kommt für sie nicht in Frage.
Nach einigen Wochen fällt die Richterin das Urteil: Sie weist die Klage des Malers ab. Die Forderung sei nicht ausreichend belegt. Der Maler muss 2000 Franken Gerichtskosten übernehmen und seiner ehemaligen Vermieterin eine Entschädigung für ihre Anwaltskosten in der Höhe von 4000 Franken zahlen.
Gerichtsverfahren müssen nicht immer teuer sein
Die Chancen einer gerichtlichen Klage sind für Laien kaum abschätzbar. Prozessieren ohne Anwalt erhöht das Risiko noch – vor allem, wenn die Gegenseite einen Rechtsvertreter beauftragt. Wer finanziell knapp dran ist, sollte deshalb an die unentgeltliche Prozessführung denken. Prozessparteien haben Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Sie dürfen nicht viel mehr als das Existenzminimum verdienen. Und das Begehren darf nicht aussichtslos sein. Das Gericht prüft nicht von sich aus, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Wer kostenlos prozessieren will, muss dies beantragen. Wird das Begehren gutgeheissen, entfallen Vorschüsse und Gerichtskosten. In komplizierteren Fällen besteht auch ein Anspruch auf einen Gratisanwalt.