Das Vorhaben war von Beginn an zum Scheitern verurteilt – lohnte sich aber trotzdem. Der deutsche Journalist Peter Grünlich setzte sich zum Ziel, das Internetlexikon Wikipedia durchzulesen. Das ist schon deshalb unmöglich, weil allein auf der deutschsprachigen Wikipedia-Site jeden Tag Hunderte neuer Einträge dazukommen. Aktuell sind rund 2,6 Millionen Artikel erfasst. Die englischsprachige Wikipedia umfasst gar über 6 Millionen Artikel.
Grünlich wusste, dass er sich nie und nimmer die Zeit nehmen kann, um alle Texte zu lesen. Das hätte über elf Jahre pausenlose Tag-und-Nacht-Arbeit bedeutet. Immerhin: Er investierte über ein Jahr lang jeden Tag einige Stunden in die Lektüre.
Resultat seiner Arbeit ist ein Sammelsurium nützlicher, überraschender und witziger Geschichten. Etwa über Menschen, welche die Welt voranbrachten, aber völlig unbekannt sind. Oder über den ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der 1981 die Vorschriften für Schulmahlzeiten ändern wollte: Ketchup hätte nicht mehr als «Würzmittel», sondern als «Gemüsebeilage» gelten sollen. Ein Vorhaben, das scheiterte.
Am spannendsten sei es gewesen, sich vom Zufall leiten zu lassen, schreibt Grünlich. Auf der Wikipedia-Site findet man in der linken Spalte die Funktion «Zufälliger Artikel». Klickt man drauf, landet man irgendwo im unendlichen Wikipedia-Universum. In derselben Spalte lässt sich auch jeder Eintrag als PDF herunterladen und ausdrucken.
Wer glaubt, nach einer Wikipedia-Tour die Welt zu verstehen, liegt falsch. Die Internet-Enzyklopädie ist ein Puzzle aus vielen Einzelteilen. Zusammenhänge muss man sich selbst erarbeiten. Genauso wie man jeden Text kritisch hinterfragen muss. Denn jedermann kann Texte schreiben und verändern. Auch getarnte Werbung ist in den Wikipedia-Texten nicht selten («K-Tipp» 20/2020).
Peter Grünlich, Der Alleswisser, Yes Publishing, München 2020, 272 Seiten, ca. 25 Franken