Die Stiftung Folsäure will die Bevölkerung animieren, mehr Folsäure zu sich zu nehmen. In der natürlichen Nahrung habe es zu wenig davon. Mitfinanziert wird die Stiftung durch Folsäure-Hersteller wie Bayer, Burgerstein oder die Migros. In Broschüren und im Internet preist die Stiftung mittlerweile rund 120 Produkte an, die Folsäure enthalten: Folsäure-Tabletten, Kindermilch, Birchermüesli-Flocken oder gar Brote. Dazu wirbt sie mit umstrittenen Aussagen.
Beispiel Herzinfarkt: «Das Herz profitiert von Folsäure», schreibt die Stiftung. Es deute vieles darauf hin, dass das Vitamin vor verkalkten Arterien schütze und das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten vermindern könne. Doch dafür gibt es keine Belege, wie Herzspezialist Thomas Lüscher von der Universität Zürich sagt. Eine norwegische Studie im Fachblatt «New England Journal of Medicine» mit 4000 Patienten konnte dies bereits vor zehn Jahren zeigen. Für Lüscher ist das die wichtigste Studie. Sein Fazit: «Ich setze bei meinen Patienten nie Folsäure ein.»
Beispiel Demenz: Die Stiftung schreibt, das Vitamin könne «dem Vergessen entgegenwirken». Studien hätten nachgewiesen, dass Folsäure die Arterienverkalkung und das Demenzrisiko reduzieren könne. Auch das stimmt nicht, wie die unabhängige Forschergemeinschaft Cochrane 2008 herausfand: «Studien zeigen keine Evidenz, dass Folsäure einen Effekt auf die Hirnleistung hat.»
Beispiel Depression: Die Stiftung schreibt, es gebe einen Zusammenhang «zwischen Folsäure und Depressionen». Wer an Depressionen leide, habe weniger Folsäure im Blut als Gesunde. Daniel Hell, Ex-Direktor an der Psychiatrischen Uniklinik Zürich und Depressions-Experte, dagegen sagt, dass «nur relativ wenige depressive Menschen» zu wenig Folsäure hätten. Es gebe keine wissenschaftlichen Grundlagen, dass man mit Folsäure Depressionen verhindern könne.
Beispiel Allergie: Die Stiftung behauptet, wer viel Folsäure zu sich nehme, leide seltener an Allergien. Doch auch diese Aussage steht auf wackligen Beinen. Die Stiftung verweist zwar auf eine Untersuchung des Johns-Hopkins-Spitals in Baltimore (USA) von 2009, doch deren Aussagekraft ist umstritten. Allergie-Experte Arthur Helbling vom Inselspital Bern bezweifelt deshalb einen Zusammenhang: «Wir haben noch nie wegen Allergien Folsäure verschrieben.»
Folsäure-Präparate sind nutzlos – ausser für Schwangere
Nachweislich schützt Folsäure nur gegen Spina bifida, den offenen Rücken bei Ungeborenen. «Das ist gut belegt», sagt der Zürcher Hausarzt Thomas Walser. Frauen, die schwanger werden möchten, sollten deshalb darauf achten, dass sie genug Folsäure im Blut haben. Für alle anderen sind solche Präparate nutzlos.
Die Stiftung räumt gegenüber saldo ein, dass der Nutzen von Folsäure nur zur Vorsorge von Spina bifida beim Baby eine «hohe Evidenz» habe. Im Zusammenhang mit anderen Krankheiten wurden zwar viele Arbeiten veröffentlicht, die Evidenz sei aber «etwas niedriger». Ob Folsäure gegen Allergien helfe, sei zudem «etwas widersprüchlich».