Friedrich Hartmann würde gern mithelfen, die Solarenergie in der Schweiz rasch voranzubringen. Er führt mit seiner Frau einen Biobauernhof in Dürrenroth BE. Das Dach des Stalls ist ideal für die Erzeugung von Solarstrom.
Vor einem Jahr stellte Hartmann ein Netzanschlussgesuch für eine Solarstromanlage mit einer Leistung von 30 Kilowatt (kW). Die Netzbetreiberin BKW erteilte grünes Licht. Der Berner Energiekonzern machte aber den Vorbehalt, dass die Anlage maximal 12 kW ins Netz einspeisen dürfe. Für eine höhere Leistung müsse man zuvor die Anschlussleitung und das vorgelagerte Netz verstärken.
20 000 Franken Mehrkosten für maximale Einspeiseleistung
Dabei stellte die BKW Hartmann vor die Wahl: Falls er eine Anlage mit maximaler Einspeiseleistung von rund 30 kW realisieren wolle, müsse er für die Verstärkung der Anschlussleitung Kosten von über 20 000 Franken übernehmen. Nur rund 8500 Franken an Zusatzkosten seien es, wenn er sich mit maximal 24 kW begnüge.
Friedrich Hartmann entschied sich für die günstigere Variante. Zähneknirschend, wie er sagt: «Zusätzliche Ausgaben von mehr als 20 000 Franken überstiegen unsere Möglichkeiten. Allein die Anlage kostete inklusive Dachvorbereitung und Installation fast 90 000 Franken.» Das Stalldach ist deshalb nur zu zwei Dritteln mit Solarpanels bedeckt.
Hinzu kommt: Die Solaranlage produziert erst mit halber Leistung. Denn die BKW kann die Anschlussleitung und das vorgelagerte Netz wohl nicht vor April 2023 so verstärken, dass es der vollen Einspeiseleistung gewachsen ist. Hartmanns Bilanz: «Wir mussten uns mit einer Anlage begnügen, die deutlich weniger Strom erzeugen kann, als auf dem Stalldach möglich wäre. Wir haben Mehrkosten von über 8000 Franken und können diesen Winter nur mit halber Leistung produzieren. Solarstromförderung sieht für mich anders aus.»
Bis zu 20 Monate auf Netzverstärkung warten
Die BKW sagt zum Fall Hartmann nicht viel. Sie hält fest, dass man mit der wachsenden Zahl an dezentralen Stromproduzenten das Netz von einer «Einbahnstrasse» in eine «vierspurige Autobahn» mit zwei Fahrtrichtungen umbauen müsse.
Trotzdem sei bei rund 70 Prozent aller privaten Solaranlagen der Anschluss ans Netz ohne und bei 15 Prozent mit nur kleinem zusätzlichem Arbeitsaufwand möglich. Da bleiben aber noch immer 15 Prozent der Anlagen, bei denen das nicht so ist – und deren Eigentümern deshalb stattliche Mehrkosten drohen.
Das Problem besteht nicht nur im Gebiet der BKW. saldo befragte zehn weitere Netzbetreiber. Sechs räumten ein, dass auch bei ihnen einige Solaranlagen wegen notwendiger Netzverstärkungen nur mit reduzierter Leistung und erst nach längerer Wartefrist von teils bis zu 20 Monaten ans Netz gehen könnten – darunter die Ostschweizer SAK, die Zürcher EKZ und die Zentralschweizer CKW. Der Fachverband Swissolar schätzt die Leistung, die allein Solaranlagen in der Landwirtschaft wegen Netzanschlussproblemen noch nicht einspeisen können, landesweit grob auf 2,5 Megawatt. Damit liesse sich Strom für den jährlichen Bedarf von rund 730 Vier-Personen-Haushalten erzeugen.
Auch sei nicht immer klar, ob ein Netzausbau wirklich nötig ist, kritisiert Swissolar. Laut Präsident Jürg Grossen, der für die Grünliberalen im Nationalrat sitzt, fehlen «oft transparente Daten und nachvollziehbare Berechnungen». Das führe zu Frust. Grossen: «Wir erwarten von den Netzbetreibern, dass sie kooperativer werden.»
Walter Sachs, Präsident des Verbands unabhängiger Energieerzeuger, ergänzt, man könnte wohl deutlich mehr Anlagen ans Netz schliessen, ohne dieses verstärken zu müssen. Dazu müssten die Betreiber aber untersuchen, was ihre Netze aushalten.
Die Nordwestschweizer Primeo Energie tat genau das: Sie führte während zehn Jahren Netzanalysen durch und kann gemäss Sprecher Joachim Krebs ab nächstem Mai durch Anpassungen «sicherstellen, dass wir deutlich höhere dezentrale Solarstromeinspeisungen realisieren können».
An fehlendem Geld sollten Netzverstärkungen für die Solarenergie nicht scheitern. Denn die Elektrizitätswerke dürfen von den Stromverbrauchern seit Jahren einen überhöhten Zins für ihr ins Netz investierte Kapital einkassieren. Das spült ihnen pro Jahr für Netzbetrieb, -unterhalt und -ausbau rund 350 Millionen zusätzlich in die Kassen (saldo 14/2022).
Netzbetreiber dürfen Kosten den Solarproduzenten aufbürden
Besonders stossend ist darum, dass die Netzbetreiber gemäss Energieverordnung ihre Kosten für stärkere Anschlussleitungen den Solarstromproduzenten aufbürden dürfen. «Auch wissen wir von einigen Fällen, in denen die Kosten für Leitungsverstärkungen völlig unverhältnismässig veranschlagt wurden», sagt Walter Sachs. Solarstromförderung sieht tatsächlich anders aus.