Ende September 2018 leisteten sich Peter Marburger und Niklaus Reiniger aus Augst BL eine Flussfahrt von Passau (D) ins Donaudelta am Schwarzen Meer. Die Reise dauerte 15 Tage. Veranstalterin war die Thurgau Travel in Weinfelden TG, nicht zu verwechseln mit dem auch auf Flussreisen spezialisierten Reisebüro Mittelthurgau aus Weinfelden.
Gefahren wurde mit der «MS Thurgau Ultra», «ein Suitenschiff wie kein Zweites», schwärmt die Veranstalterin auf ihrer Homepage. Und das hatte seinen Preis: Das Paar zahlte für seine Reise in der Queen-Suite auf dem Oberdeck satte 12 000 Franken. Marburger: «Zu meinem 60. Geburtstag wollten wir uns etwas ganz Besonderes leisten.» Doch die Kabine machte nur auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Bei näherem Hinsehen zeigte sich: Die Balkontüre konnte nicht korrekt verriegelt werden. Der Balkon war voller Spinnweben, der Steinboden im Bad fleckig. Auch das Essen entsprach nicht den Erwartungen: «Wir hatten den Eindruck, dass beim Einkauf der Lebensmittel enorm gespart wurde.»
Marburger und Reiniger hatten die Flussfahrt zum Donaudelta vor allem wegen der Ausflüge gebucht. Doch sie fielen oft kürzer aus als angegeben. Am fünften Tag der Reise, rund 500 Kilometer vor dem Donaudelta, folgte die grösste Enttäuschung: Das Schiff legte in der rumänischen Kleinstadt Turnu Magurele an. Wegen Niedrigwasser war ein Frachtschiff auf Sand gelaufen und steckengeblieben. Die Passagiere mussten sich sofort entscheiden, ob sie in einer 15-stündigen Busfahrt hin und zurück zum Donaudelta fahren oder drei Tage am Anlegeplatz auf dem Schiff warten wollten. Marburger und Reiniger blieben mit 30 weiteren Passagieren auf dem Schiff. Während der drei Tage gab es keinerlei Extras als Entschädigung für die verkürzte Reise.
Nicht erbrachte Leistung gibt Anrecht auf Preisminderung
Zurück in der Schweiz, forderten die beiden von Thurgau Travel das Geld für die im Donaudelta verpassten und vorab bezahlten Ausflüge zurück. Zudem wollten sie 25 Prozent der Gesamtkosten als Entschädigung für die drei anders als geplant verlaufenen Tage.
Thurgau Travel reagierte innert vier Tagen und zahlte das Geld für die Ausflüge zurück. Die geforderte Entschädigung lehnte das Reisebüro aber ab – mit Hinweis auf die allgemeinen Vertrags- und Reisebedingungen.
Dort steht, dass die Beförderung auf einer Teilstrecke per Bus erfolgen könne, falls eine Route wegen Niedrigwasser nicht befahrbar sei. Doch diese Bestimmung ist gemäss Pauschalreisegesetz unzulässig. Kann ein Schweizer Veranstalter einen Teil der gebuchten Leistung nicht erbringen, haben Reisende Anspruch auf «Preisminderung». Also darauf, dass ihnen ein Teil des Reisepreises zurückbezahlt wird. Der Grund für den Ausfall der Leistung spielt dabei keine Rolle. Und: Der gesetzlich zwingende Entschädigungsanspruch lässt sich nicht mit allgemeinen Reisebedingungen aushebeln. Das bestätigt Vito Roberto, Rechtsprofessor an der Universität St. Gallen. Einzige Ausnahme: Der Veranstalter hat sich im Vertrag eine konkrete Alternative für den Fall vorbehalten, dass er eine Teilstrecke nicht befahren kann. Also zum Beispiel den Transfer per Bus ins Donaudelta und dort einen Hotelaufenthalt.
Rückerstattung erst nach Intervention des Ombudsmanns
Das Pauschalreisegesetz regelt nicht, wie viel Geld die Kunden zurückverlangen können. Anhaltspunkte gibt die sogenannte «Würzburger Tabelle» (saldo 17/2018). Sie enthält Hinweise auf über 600 Streitfälle zu Kreuzfahrten, die von deutschen Gerichten entschieden wurden (
Würzburger-tabelle.de).
Marburg und Reiniger wandten sich Anfang Dezember an den Ombudsmann der Reisebranche. Danach war Thurgau Travel immerhin bereit, 1200 Franken zurückzuzahlen. Dazu gab es einen kleinen Geschenkkorb mit «kulinarischen Köstlichkeiten aus dem Thurgau». Doch einsichtig ist die Veranstalterin nicht: «Die Rückerstattung von 10 Prozent bezieht sich nicht auf die Routenänderung, sondern auf Punkte, welche die Kunden am Service auf dem Schiff bemängelten», schreibt Thurgau Travel.
Peter Marburger hat seine Konsequenzen gezogen. Bald fährt er mit seinem Partner auf einem Kreuzfahrtschiff von Hamburg nach New York – mit einem anderen Veranstalter.
So gehen Sie bei Reisemängeln vor
Reklamieren Sie sofort auf dem Schiff, wenn die versprochene Leistung nicht erbracht wird oder mangelhaft ist. Nützt dies nichts, wenden Sie sich an den Veranstalter in der Schweiz.
Fotografieren oder filmen Sie die Mängel, suchen Sie Zeugen. Lassen Sie sich die Mängel vom Schiffspersonal bestätigen.
Verlangen Sie nach Ihrer Rückkehr mit eingeschriebenem Brief beim Veranstalter einen Teil des Reisepreises zurück. Eine Orientierungshilfe für Preisreduktionen bietet die Würzburger Tabelle (
www.würzburger-tabelle.de).
Falls Sie mit dem Veranstalter keine Lösung finden, können Sie sich an den Ombudsmann der Schweizer Reisebranche wenden (
www.ombudsman-touristik.ch).
Bei grösseren Mängeln sollten Sie sich rechtlich beraten lassen. Wenden Sie sich an die saldo-Rechtsberatung
(Telefon 044 253 83 83 oder beratung@saldo.ch).