Martin K. hatte gleich drei Mal Pech. Von Juni bis Oktober sagte die Swiss drei seiner Flüge kurzfristig ab: Einen Hinflug von Zürich nach Düsseldorf (D) und zwei Rückflüge von Düsseldorf nach Zürich. Das erste Mal übernachtete der 34-jährige Marketingmanager aus dem Kanton Zürich in Düsseldorf, das zweite Mal mietete er einen Wagen und fuhr in der Nacht die 600 Kilometer vom Rheinland nach Zürich. Er hatte am nächsten Tag Geburtstag und erwartete Gäste. Die dritte Absage brachte seine Geschäftstermine durcheinander.
Es gab noch nie so viele Verspätungen wie letztes Jahr
Von Ausfällen und Verspätungen von mindestens drei Stunden waren im vergangenen Jahr in der Schweiz rund 1,4 Millionen Passagiere betroffen. Das zeigen Berechnungen des Fluggastportals EUclaim in Duisburg (D) für saldo. Diese basieren auf einer niederländischen Datenbank, die alle An- und Abflüge in Europa erfasst. Laut EUclaim gab es noch nie so viele Annullierungen und Verspätungen wie letztes Jahr. 2018 war die Zahl doppelt so hoch wie 2014. Zwei von hundert Flügen auf den fünf Schweizer Flughäfen fielen im vergangenen Jahr aus oder hatten mehr als drei Stunden Verspätung (siehe Tabelle im PDF).
Am meisten Annullierungen gab es am Flughafen Genf. Im vergangenen Jahr fielen nach Angaben des Flughafens 3521 Flüge aus. Im Flughafen Zürich waren es 3384 Flüge, in Basel gemäss Euroairport 1190. Am meisten Flüge strich die Swiss. Laut EUclaim waren es im vergangenen Jahr 2140. Easyjet folgt mit 1740 Annullierungen, Lufthansa mit 735, Lufthansa-Tochter Eurowings mit 348 und Air France mit 342.
Die Airline Swiss gibt «externen Faktoren» die Schuld
Die Swiss weist die Verantwortung von sich. Verspätungen und Annullierungen seien «kein Swiss- oder Schweizbezogenes Thema». Wesentliche Ursachen seien im Jahr 2018 «externe Faktoren» wie mangelndes Personal und Streiks bei den europäischen Flugsicherungen sowie ein allgemein hohes Flugaufkommen gewesen. Die Verspätungen in Zürich seien eine Folge von «ungünstigen Wetterbedingungen» und «sehr komplexen Betriebskonzepten» des Flughafens gewesen. Lufthansa, Air France, Easyjet und Eurowings äussern sich nicht zu den Gründen der Ausfälle. Eurowings sagt nur, man habe die Fluggäste für die ausgefallenen Flüge gemäss der Passagierrechte-Verordnung entschädigt.
Im letzten Jahr gab es 3681 Beschwerden
Die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol sieht die Ursache auch bei den Airlines. Sie seien für jede zweite Verspätung verantwortlich, die Flugsicherung nur für jede vierte. Auch laut EUclaim liegt die Verantwortung in 60 Prozent der Fälle bei den Fluggesellschaften. Sie seien für den Mangel an Personal und Maschinen sowie die häufigen technischen Defekte verantwortlich.
Betroffene haben meist Anrecht auf eine Entschädigung (siehe Kasten links). Keine Airline sagt, wie viele Entschädigungen sie wegen Flugausfällen und Verspätungen im vergangenen Jahr bezahlte. Zahlt die Airline nicht, kann man sich in der Schweiz mit einer Beschwerde ans Bundesamt für Zivilluftfahrt wenden. Und das tun immer mehr: Das Bundesamt erhielt im vergangenen Jahr 3681 Anzeigen von Fluggästen wegen annullierter Flüge und 2826 Anzeigen wegen Verspätungen – in beiden Fällen ist das fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Eine Beschwerde lohnt sich. Betroffene bekamen laut dem Bundesamt in «rund 90 Prozent der berechtigten Fälle» ihr Geld während des Verfahrens von der Airline ausbezahlt.
Betroffene haben Anspruch auf eine Entschädigung
Annulliert eine Airline einen Flug, muss sie für die Beförderung durch eine andere Gesellschaft zahlen oder den Ticketpreis erstatten. Aufkommen muss sie auch für die Kosten von Mahlzeiten, Hotel und Telefon, die aufgrund
der Flugabsage anfielen. Der Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn der Ausfall nicht auf aussergewöhnliche Umstände wie das Wetter oder eine Bombendrohung zurückzuführen ist. Entschädigungen stehen Passagieren teilweise auch bei Verspätungen von über drei Stunden zu.
- Die Höhe hängt bei Ausfällen und Verspätungen von der Flugdistanz ab.
- Beispiel: Bei Flügen mit einer Distanz von 1500 bis 3500 Kilometer sind es 450 Franken.
- Zahlen die Airlines nicht, kann man sich mit einer Beschwerde an das Bundesamt für Zivilluftfahrt wenden. In der EU sind die jeweiligen Schlichtungsstellen zuständig, etwa die deutsche Soep-online.de oder die österreichische Apf.gv.at.
- Lenkt die Airline nicht ein, bleibt nur eine Zivilklage vor Gericht.
- Hier springen Inkassodienste wie Fairplane.de, EUclaim.de oder Cancelled.ch ein. Sie fordern im Auftrag der Passagiere die Entschädigung gegen eine Provision (saldo 6/2018).
- Mehr Informationen im saldo-Merkblatt: Saldo.ch/reiserecht