Schweizer Flughäfen wollen Passagiere künftig systematisch mit Kameras erfas sen und mit Gesichtserkennung identifizieren – beim Checkin, der Gepäckaufgabe und beim Einstieg ins Flugzeug.
Heute kommt die Gesichtserkennung nur bei der Zollkontrolle zum Einsatz, und sie ist freiwillig. Reisende am Flughafen Zürich können wählen, ob sie am Zoll den Schalter benützen oder die Passkontrolle durch ein automatisiertes System passieren wollen.
Für Letzteres ist ein biometrischer Pass nötig. Eine Kamera filmt dann das Gesicht der Reisenden und vergleicht es mit den Bilddaten im Pass. Stimmen die Daten überein, öffnet sich die Zollschleuse, ohne dass ein Zollbeamter den Pass kontrolliert.
Für die Gesichtserkennung ausserhalb der Zollkontrolle gibt es noch keine gesetzliche Grundlage. Die Bundesverwaltung will das ändern. Sie arbeitet zurzeit an einer Revision des Luftfahrtgesetzes. Es soll die Gesichtserkennung auch in anderen Bereichen des Flughafens erlauben, und auch die Anwendung durch Privatunternehmen. Gemäss Gesetzesentwurf würden künftig Flughäfen und Airlines Zugriff auf die Daten erhalten – auch Fluggesellschaften aus Ländern mit zweifelhaftem oder fehlendem Datenschutz. Das bedeutet: Passagiere müssten damit rechnen, dass ihre biometrischen Daten weltweit verbreitet würden.
saldo weiss vom Bundesamt für Zivilluftfahrt: Die Passage zur Gesichtserkennung wurde auf Wunsch der Flughäfen Zürich und Genf in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Bei Swiss-Flügen kommt Gesichtserkennung ausserhalb der Schweiz schon heute zum Einsatz. Passagiere, die die StarAllianceApp benutzen, können in Frankfurt, Hamburg, München und Wien ins Flugzeug einsteigen, ohne Pass und Bordkarte vorzuweisen.
«Biometrisch angereicherte Profile» für Passagiere
Die Schweizer Flughäfen haben weitreichendere Pläne mit der Gesichtserkennung. saldo erhielt gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz ein E-Mail des Flughafens Zürich an das Bundesamt für Zivilluftfahrt. Daraus geht hervor: Passagiere sollen «mit einem biometrisch angereicherten Profil» durch den Flughafen reisen können.
Im E-Mail heisst es konkret: Der Flughafen will die biometrische Gesichtserkennung für die «Messung und Analyse von Wartezeiten, Passagierflüssen und Wegzeiten» benutzen können. Weiter soll sie auch für «kommerzielle Dienstleistungen und Touchpoints» verwendet werden dürfen – also etwa in Läden und bei der Nutzung des Flughafen-WLAN.
Das bestätigen auch die Unterlagen des Flughafens zur Beschaffung eines zentralen digitalen Verkaufssystems von 2022. Ähnliches planten die SBB im Hauptbahnhof Zürich («K-Tipp» 3/2023). Sie krebsten nach Veröffentlichung des Vorhabens aber wieder zurück.
Der Flughafen bestreitet trotz der vorliegenden E-Mails Pläne für eine weitere kommerzielle Anwendung der Gesichtserkennung gegenüber saldo. Diese sei nur bei Checkin, Gepäckaufgabe, Sicherheitskontrolle, Zugang zur Lounge des «ZRH Clubs» und Boarding geplant.
Der Flughafen Genf beschaffte bereits 2021 neue Automaten für die Gepäckaufgabe, das Checkin und den Sicherheitscheck, welche die «Gesichtserkennung ermöglichen». Noch ist der Gesichtsscan laut Flughafen Genf nicht aktiviert, das ginge aber per Knopfdruck.
Die Geräte stammen von der belgischen Firma Sita, die Luftfahrtkonzernen gehört. Im Verwaltungsrat der Firma mit Ableger in Genf sitzt eine Schweizer Juristin der LufthansaGruppe, zu der auch die Swiss gehört.
Dachverband der Flugindustrie fordert Biometriezwang
Die Gesichtserkennungstechnologie kann laut den Verkaufsunterlagen ungewöhnliches Verhalten von Passagieren erkennen und Auswertungen liefern – etwa zur Nutzung von Dienstleistungen und zum Kaufverhalten. Gesichtsbilder erfordern gemäss dem Schweizer Datenschutzgesetz eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen. Gemäss den Flughäfen Zürich und Genf soll die Benutzung der biometrischen Identifikation freiwillig bleiben.
Die Swiss und Aero Suisse, der Dachverband der Schweizer Flughäfen und Airlines, wollen dies aber im neuen Gesetz aushebeln. In einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf fordern sie, dass die Schweizer Flughäfen und die Fluggesellschaften künftig biometrische Daten auch ohne Einwilligung der Betroffenen verarbeiten dürfen.
Für Viktor Györffy, Rechtsanwalt in Zürich und Präsident des Vereins Grundrechte.ch, ist die Bearbeitung biometrischer Daten ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Deshalb brauche es eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen oder eine klare gesetzliche Grundlage: «Schwammige und ausufernde Bestimmungen genügen nicht.»