Fleisch: Abgepackt frischer als im Offenverkauf
Die Qualität von Fleisch bei Migros und Coop lässt zu wünschen übrig. 5 von 50 Proben waren verdorben. Das zeigt ein Labortest.
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saldo 13/2012
25.08.2012
Letzte Aktualisierung:
27.08.2012
Thaïs In der Smitten
Letzten Herbst deckte die Sendung «Kassensturz» auf, dass Coop und Migros regelmässig abgepacktes Fleisch mit abgelaufenem Datum als Frischfleisch verkauft hatten. Die Grossverteiler gelobten Besserung: Einmal verpacktes Fleisch werde künftig nicht mehr ausgepackt und als Frischfleisch verkauft.
saldo prüfte, wie es heute um die Qualität des Fleisches steht: Ist es im Offenverkauf wirklich frisch – oder sind die Kunden mit abgepacktem Fleisch b...
Letzten Herbst deckte die Sendung «Kassensturz» auf, dass Coop und Migros regelmässig abgepacktes Fleisch mit abgelaufenem Datum als Frischfleisch verkauft hatten. Die Grossverteiler gelobten Besserung: Einmal verpacktes Fleisch werde künftig nicht mehr ausgepackt und als Frischfleisch verkauft.
saldo prüfte, wie es heute um die Qualität des Fleisches steht: Ist es im Offenverkauf wirklich frisch – oder sind die Kunden mit abgepacktem Fleisch besser beraten? Das Resultat: Abgepacktes Fleisch ist frischer als Fleisch im Offenverkauf. Gut zwei Drittel der abgepackten Ware schnitt gut bis sehr gut ab, beim Fleisch über die Theke war dies nur bei knapp der Hälfte der Proben der Fall.
Die Frischfleischproben analysierten die Experten am Einkaufstag. Die abgepackten Portionen erst am Tag des jeweiligen Ablaufdatums. Hätte das Labor die Proben aus dem Offenverkauf einen Tag später analysiert, wäre die Bilanz im Vergleich zum abgepackten Fleisch noch schlechter ausgefallen.
Untersucht wurden 50 Portionen Schweins-, Rinds- und Kalbsgeschnetzeltes aus 25 Migros- und Coop-Filialen. Die Proben stammten aus Abtwil SG, Allschwil BL, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich.
Direkt nach dem Einkauf brachten die Testkäufer die Proben gekühlt in ein Berner Lebensmittellabor. Dieses suchte nach bestimmten krankheitserregenden Bakterien und bestimmte die Gesamtkeimzahl.
Der wichtigste Indikator für die Frische ist die Gesamtbakterienzahl. Eine hohe Zahl an Keimen ist ein Indiz für schlechte Hygiene oder ungenügende Kühlung.
Coop Lerchenfeld St. Gallen: Abgelaufene Packung im Regal
Bei der Beurteilung orientierte sich saldo an den Vorschriften der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. Grund: Die Schweizer Hygieneverordnung kennt keine Toleranzwerte für geschnetzeltes Fleisch. In Deutschland gilt für rohes Schweinefleisch ein Toleranzwert von 5 Millionen Bakterien pro Gramm. Liegt die Zahl darüber, ist das Fleisch verdorben.
Sowohl bei abgepacktem Fleisch wie bei der Offenware gab es verdorbene Produkte. Das abgepackte Rindfleisch aus der Migros Brunaupark Zürich überschritt mit 21,6 Millionen Keimen pro Gramm den Toleranzwert von 5 Millionen deutlich. Auch das Kalbfleisch aus dem Offenverkauf der Migros Neumarkt St. Gallen war mit 6,4 Millionen Bakterien pro Gramm überhaupt nicht mehr appetitlich, ebenso das offen verkaufte Rindfleisch aus dem Säntispark in Abtwil SG mit 9,4 Millionen.
Am unappetitlichsten war das abgepackte Rindfleisch aus dem Coop Lerchenfeld St. Gallen: Es war im Zeitpunkt des Kaufs seit zwei Tagen abgelaufen. Die Analyse bestätigte: Das Fleisch war mit einer Gesamtkeimzahl von über 30 Millionen klar verdorben. Urs Meier, Coop-Mediensprecher, spricht von einem Einzelfall.
Klar ungenügend war auch die Schweinefleischprobe aus dem Offenverkauf der Migros Zähringerstrasse in Bern: Sie überschritt mit 90 000 Enterobakterien den Toleranzwert von 10 000 pro Gramm um ein Vielfaches. Enterobakterien weisen auf Hygienemängel bei der Schlachtung oder Verarbeitung hin. Zu viele Enterobakterien können Durchfall verursachen. Migros-Sprecherin Monika Weibel sagt zu den ungenügenden Laborwerten: «Die Entstehung der erhöhten Werte konnte innerhalb der Prozesskette in keiner der betroffenen Filialen eindeutig nachvollzogen werden.»
Das abgepackte Schweinefleisch aus dem Coop Letzipark in Zürich enthielt Escherichia-coli-Bakterien. Diese kommen im Darm von Menschen oder Tieren vor. Sie können zu Magen-Darm-Krankheiten führen. Der Toleranzwert liegt bei 100 Bakterien pro Gramm. Mit 50 Bakterien pro Gramm lag die Probe darunter.
Vier der fünf als «ungenügend» beurteilten Fleischproben stammen von der Migros. Unter den Proben mit der Bewertung «genügend» sind acht von Migros und neun von Coop.
Cervelats: Bis zu 140-mal mehr Bakterien als erlaubt
«Kassensturz» liess vor kurzem 36 Cervelats auf Bakterien untersuchen. 15 Produkte enthielten zu viele Keime. Gemäss der Schweizer Hygieneverordnung liegt der Toleranzwert für Brühwürste bei 1 Million Bakterien pro Gramm. Diesen Wert überschritten die Cervelats teilweise um das 20- bis 40-Fache. Eine Wurst enthielt gar 140-mal mehr Bakterien als erlaubt. Auffällig: Die meisten Würste mit sehr hoher Keimbelastung stammen von Grossverteilern. Zwei Produkte von Coop und je ein Cervelat von Aldi und Volg galten als verdorben.
Einkauf: Merkmale für frisches Fleisch
- Schweinefleisch sollte hellrosa sein, Kalbfleisch rosa, Rind- und Lammfleisch hell- bis dunkelrot. Huhn sollte rosa glänzen.
- Frisches Fleisch riecht neutral mild.
- Fleisch darf nicht schmierig sein. Bakterien zersetzen das Eiweiss auf der Oberfläche – es bildet sich ein Schmierfilm.
- Fleisch sollte nicht im eigenen Saft liegen.