Die Post schwimmt im Geld. Seit 2010 häufte sie gemäss ihren Geschäftsberichten Betriebsgewinne von total über 7,8 Milliarden Franken an. Auch im vergangenen Coronajahr fuhr die Post einen Betriebsgewinn von 272 Millionen Franken ein. Trotzdem schliesst der gelbe Riese ungebremst Filialen.
Recherchen von saldo zeigen: Seit 2010 machte die Post mehr als 1000 Poststellen dicht. Das heisst: Jeden vierten Tag schloss eine Filiale. Von 1955 Poststellen im Jahr 2010 waren Ende 2020 nur noch 904 übrig (siehe Grafik im PDF).
Der Abbau verlangsamte sich auch im vergangenen Jahr nicht: Erneut schlossen 77 Filialen. Für Kunden in den betroffenen Gemeinden ist das ein schwerer Schlag. Denn nur in den Poststellen können sie Auslandpakete aufgeben, Einzahlungen mit Bargeld tätigen und Bargeld beziehen.
Postagenturen in Läden sind kein wirklicher Ersatz
Die Postagenturen in Lebensmittelläden und Apotheken haben ein eingeschränktes Angebot: Einzahlungen mit Bargeld und Bargeldbezüge sind dort nicht möglich. Und ab April können Kunden in den Agenturen keine Auslandpakete mehr aufgeben – ausser sie erledigen die Arbeit selbst und füllen eine Zolldeklaration im Internet aus (saldo 4/2021).
Auffällig: Die Post macht Poststellen in immer grösseren Gemeinden zu. Zurzeit steht etwa die letzte Filiale in Chêne-Bougeries GE vor der Schliessung. Die Gemeinde hat über 12 000 Einwohner. Die Bevölkerung und die Behörden vieler kleinerer Gemeinden wehrten sich im vergangenen Jahr gegen die Schliessungen, zum Beispiel in Niederweningen ZH, Gommiswald SG und Muotathal SZ. Vergebens: Die Post liess nicht mit sich reden. Die Führung sagt, dass man geschlossene Filialen oft durch Postagenturen ersetze. So bleibe der Zugang zu Postdienstleistungen «flächendeckend» erhalten.
Im vergangenen Jahr kündigte die Post an, den Abbau bei 800 Poststellen zu stoppen. Zurzeit gibt es landesweit noch 900 Filialen. Somit wird die Post weitere 100 Postämter schliessen. Die restlichen 800 Poststellen sollen angeblich bis 2024 geöffnet bleiben. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. In einem Interview in der NZZ vom Februar sprach Post-Chef Roberto Cirillo bereits von einem weiteren möglichen «massiven» Abbau im Poststellennetz: Dazu komme es, wenn Postfinance wie geplant privatisiert werde und die Zahlungen von Postfinance wegfallen würden.
Bundesrat lässt Post freie Hand
Tatsache ist: Die Post-Chefs können so viele Filialen schliessen, wie sie wollen. Denn der Bundesrat lässt ihnen freie Hand. In den strategischen Zielen des Bundesrats heisst es nur vage: «Die Post stabilisiert die Anzahl Poststellen, soweit betriebswirtschaftlich vertretbar.» Eine konkrete Zahl wird nicht genannt.
Das zuständige Departement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga schreibt saldo: «Der Bundesrat nimmt auf das operative Geschäft keinen Einfluss.» Was die Zahl der Poststellen betreffe, habe der Bundesrat «keine Erwartungen».
Erwartungen hat der Bundesrat aber an die Dividende: Die Bundeskasse profitiert Jahr für Jahr von den hohen Gewinnen. Im vergangenen Jahr waren es 50 Millionen Franken.
Auch das Parlament sieht dem Abbau tatenlos zu. Die National- und Ständeräte begruben in den vergangenen Jahren alle Vorstösse zum Erhalt von Poststellen oder schoben sie auf die lange Bank. Aktuelles Beispiel: Eine Standesinitiative des Kantons Jura verlangt, dass die Bevölkerung bei Postschliessungen mehr Mitspracherecht erhält. Eingereicht wurde das Begehren im Juli 2017. Bis heute hat das Parlament nicht darüber abgestimmt. Anfang März entschied der Ständerat, die Diskussion darüber um zwei Jahre bis 2023 zu verschieben.
In dieser Zeit geht das Poststellensterben weiter: Allein seit Einreichung der Standesinitiative schloss die Post über 350 Filialen und baute den Service public weiter ab.