Zu viel essen und zu wenig Bewegung: Bei dieser Kombination droht nicht nur Übergewicht. Man schadet damit auch der Leber. Denn auch sie lagert Fett ein. Das kann langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen. In Europa leidet jeder zweite Übergewichtige an einer Fettleber, warnten Ärzte des Kantonsspitals Genf kürzlich im Fachblatt «Swiss Medical Forum».
Zurzeit werben Apotheken und Drogerien vermehrt für Leberpräparate. So sollen etwa die «Mariendistel-Forte»-Kapseln von Herbano die Leber besser durchbluten und «die Regeneration» einer zu fetten Leber fördern. Preis: 60 Kapseln kosten rund 20 Franken. Auch der «Mariendistel Complex» von Vitacity soll die Leber stärken. Er enthält den Mikronährstoff Cholin. Er helfe, «die Leberfunktion zu normalisieren», heisst es auf der Website Vitalis-shop.ch. Kosten pro Monat: 28 Franken.
Nutzen der Heilkräuter ist nicht belegt
Doch diese Präparate können eine geschädigte Leber nicht heilen, sagt Heilkräuter-Experte Martin Koradi aus Winterthur ZH: «Es gibt keine fundierten Studien, die zeigen, dass Mariendistel eine Fettleber entscheidend beeinflusst.» Auch für Cholin sei der Nutzen nicht belegt, sagt Chefarzt Reinhard Imoberdorf vom Kantonsspital Winterthur. Cholin spielt zwar eine Rolle beim Fettstoffwechsel der Leber. Doch es gebe keine Studien, die beweisen, dass sich mit Cholin- Präparaten eine Fettleber zurückbildet. Bis heute ist kein Wirkstoff bekannt, der eine verfettete Leber regenerieren kann.
Trotzdem gibts eine gute Nachricht: Mit dem richtigen Verhalten kann man seine Leber einfach und ohne Medikamente wieder fit machen. Fachleute wie Chefarzt Imoberdorf empfehlen, weniger Kohlenhydrate wie Weissbrot, Pasta und Zucker zu essen. Denn überschüssige Kohlenhydrate nisten sich als Fettvorrat in der Leber und im Gewebe ein.
Mehr Eiweisse in der täglichen Ernährung
Besser ist es, den Hunger mit Eiweiss zu stillen: Der Körper lagert überschüssige Eiweisse nicht in der Leber ab. Ernährungsmedizinerin Katharina Lechner von der Uni München empfiehlt, bei jeder Mahlzeit eine Eiweissportion zu sich zu nehmen: etwa einen Becher Quark, ein Stück Tofu oder Fisch. Auch Nüsse und Hülsenfrüchte sind gute Eiweisslieferanten. Der israelische Forscher Yftach Gepner konnte 2018 belegen, dass eine Ernährung mit viel Eiweiss und Gemüse das Leberfett innert 18 Monaten bedeutend abbauen kann. Er testete das an 250 übergewichtigen Personen.
Sport hilft der Leber ebenfalls. Besonders effizient sind Aktivitäten, bei denen viele Kalorien verbrannt werden – etwa Aerobic und Krafttraining. Das zeigte 2016 eine Übersichtsstudie im «British Medical Journal», die 21 Studien mit mehr als 1500 Teilnehmern zusammenfasste.
Auch Übergewicht hat negative Auswirkungen auf die Leber. Wer zu viele Pfunde auf die Waage bringt, sollte aber nicht zu rasch und zu viel abnehmen. «Manche Patienten müssen nur ein paar wenige Kilos abnehmen, damit sich ihre Leber wieder erholt», sagt Christian Ruis, Magen- Darm-Spezialist am Spital Thun.
Herbano, der Hersteller der «Mariendistel-Forte»-Kapseln, verweist auf eine chinesische Studie zu einem Wirkstoff der Mariendistel, dem Silymarin: Forscher der Jilin-Universität in Changchun, China, fanden zwar heraus, dass der Stoff erhöhte Leberenzym-Werte senkte – Fettzellen bildeten sich aber nicht zurück.
Leber: Vorsicht bei Druckgefühl
Wenn man zu viel isst und sich zu wenig bewegt, speichert der Körper Energie in Form von Fett in der Leber. Auch Alkohol und Medikamente wie Hormonpillen oder Kortison können die Leber verfetten lassen. Sie vergrössert sich und wird schwerer – oft unbemerkt. Patienten haben zu Beginn keine Beschwerden oder allenfalls ein leichtes Druckgefühl im Oberbauch. Doch ist dieser Zustand riskant: Denn die Leber kann die Nahrung nicht mehr korrekt verarbeiten. Das Risiko für Diabetes und Ablagerungen in Gefässen steigt.
Bleibt eine Fettleber lange Zeit unerkannt, kann es zum Abbau von Leberzellen und zu Entzündungen kommen. Wird die Entzündung nicht rechtzeitig erkannt, besteht die Gefahr, dass das Lebergewebe vernarbt, schrumpft und die Leber nicht mehr richtig funktioniert: Es kommt zu einer Leberzirrhose. Dann bleibt als einzige Therapie eine Lebertransplantation.